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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht
Autoren: Karen Ranney
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an. Sie hatten keinen Moment an die Möglichkeit gedacht, dass Margaret das Haus oder gar die Stadt aus freien Stücken verlassen haben könnte.
    »Sie ist doch erst neun.« Jeanne trat neben Douglas, und er legte den Arm um sie.
    »Aber sie hat ihren eigenen Kopf.« Hamish lächelte sie an. »Ihr müsst Jeanne sein. Soviel ich über Euch gehört habe, verdankt Margaret ihre Willensstärke Euch.«
    »Und du sagst, es geht ihr gut?«, vergewisserte Douglas sich.
    »Ja – aber sie will nicht mit dir reden, und auch nicht mit Euch, Miss du Marchand.«
    »Was?«, fragten Douglas und Jeanne wie aus einem Munde.
    »Sie fühlt sich von dir, Douglas, und von Euch hintergangen. Offenbar ist sie darauf gekommen, dass Miss du Marchand ihre Mutter ist.« Er schaute Jeanne an. »Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass sie Euch ablehnt. Sie ist nur völlig durcheinander.«
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Bei Mary auf dem Schiff.«
    Jeanne hatte das Gefühl, vor Erleichterung ohnmächtig zu werden, und suchte Halt bei Douglas, der ihre Hand umfasste. Wie sie da nebeneinanderstanden, wirkten sie wie Braut und Bräutigam.
    Wieder tauschten sie einen Blick, und Douglas beugte sich in Gegenwart seines Bruders und des schlaksigen Lakaien herunter und küsste Jeanne auf den Mund, so innig, dass sie Tränen unter ihren geschlossenen Lidern hervorquellen spürte.
    Die Nonnen von Sacré-Cœur hatten sich geirrt. Es wären keine weiteren Strafen erforderlich, um ihre unsterbliche Seele zu retten. Die Qualen, die sie bereits erlitten hatte, waren der Buße genug.

Kapitel 34
    J eannes bisher einzige Erfahrung mit der Seefahrt war die Reise über den sturmgepeitschten Kanal gewesen. Jedes Mal, wenn der Bug sich himmelwärts reckte und dann ins nächste Wellental stürzte, war sie sicher, dass sie geradewegs bis auf den Meeresgrund hinabstoßen würden.
    Sie war erschöpft, hungrig und durchgefroren. Sich nach neun Jahren Gefangenschaft im Kloster plötzlich in einer Welt behaupten zu müssen, die keine Rücksicht auf alleinstehende Frauen nahm, machte ihr Angst.
    Die Fahrt von Leith nach Gilmuir war ganz anders. Douglas hatte eines der im Hafen liegenden »MacRae-Brothers«-Schiffe requiriert, als Hamish ihm erklärte, dass er noch bleiben wollte. Da er so selten nach Edinburgh käme, hätte er eine von Mary erstellte Besorgungsliste abzuarbeiten.
    Das hochseetüchtige Schiff flog förmlich dahin. Die Brise war frisch, aber nicht stürmisch, doch anfangs fürchtete Jeanne sich genauso wie damals auf der Fahrt von Frankreich nach England.
    »Bist du sicher, dass es Margaret gutgeht?«, fragte sie Douglas wohl zum hundertsten Mal.
    Sie standen Arm in Arm an der Reling. »Wenn Hamish sagt, dass es ihr gutgeht, dann geht es ihr gut. Er hat mich noch nie angelogen.« Ein Lächeln spielte um seinen einen Mundwinkel. »Nicht einmal, um mich zu schonen.«
    Sie hätte beruhigt sein müssen, aber das wäre sie erst, wenn sie mit eigenen Augen sähe, dass ihre Tochter wohlauf war.
    »Was soll ich ihr nur sagen?«, fragte sie bang.
    Douglas wurde ernst. »Die Wahrheit.«
    Jeanne schüttelte den Kopf. »Vielleicht später einmal. Sie ist erst neun.« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Margaret ist so ein englischer Name.«
    »Welchen hattest du denn für sie ausgesucht?«
    »Genevieve.« Es war das erste Mal seit der Geburt ihres Kindes, dass sie ihn aussprach. »Aber Margaret passt besser zu ihr.«
    Sie verfielen in Schweigen, spürten die Strömungen des Meeres unter dem Schiff. Der Wind fuhr in Jeannes Locken und streichelte damit ihr Gesicht. Und als Douglas sie fest an sich drückte, wurde sie von einem Glücksgefühl erfasst, wie sie es seit dem Sommer vor zehn Jahren nicht empfunden hatte. In der Zwischenzeit hatte sie viel erlebt und erlitten, aber plötzlich war sie ganz sie selbst, gleichzeitig das junge Mädchen von damals und die Frau, die sie heute war. Jeanne du Marchand. Geliebte. Kameradin. Mutter.
    Ihr Blick fiel auf Douglas’ Hand, die entspannt auf der Reling lag. Es war eine große, kräftige Hand, schwielig und rauh, die bewies, dass ihr Besitzer sich nicht vor harter Arbeit scheute. Er hatte ein beeindruckendes Unternehmen aufgebaut, und sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass es unter seiner Leitung weiter wachsen und expandieren würde. Er war ein Mann, den andere Männer bewunderten, ein Vorbild, dem andere Männer nacheiferten.
    Im Vergleich zu seinem erschien ihr Leben ihr völlig unbedeutend. Doch anstatt sich
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