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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht
Autoren: Karen Ranney
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werden, und das auch noch von seinem Kind.
    »Es gibt bei jeder Regel Ausnahmen, Meggie. Es war nachlässig von mir, das nicht zu erwähnen.«
    Anstatt weiter mit ihm zu diskutieren, seufzte sie wieder, und Douglas hatte das unangenehme Gefühl, ohne Worte getadelt zu werden.

Kapitel 35
    J eanne saß in der Kapitänskajüte der
Ian MacRae
am Tisch und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, als könne sie damit verhindern, die Schreckensbilder zu sehen, die ihr Gegenüber mit ruhiger Stimme für sie malte.
    Dabei hatte sie Mary
gebeten
, ihr zu erzählen, wie sie und Douglas Margaret gefunden hatten und in welchem Zustand das Kind gewesen war. Obwohl es eine Qual für sie war, von den Spuren der Misshandlungen an dem ausgezehrten, winzigen Körper und von den anschließenden bangen Monaten zu hören, in denen das Leben ihrer Tochter an einem seidenen Faden gehangen hatte, gebot sie Mary nicht Einhalt. Je mehr sie erfuhr, umso dankbarer wurde sie dafür, dass der Comte jetzt die göttliche Gerechtigkeit zu spüren bekam.
    »In den ersten drei Jahren war Douglas die reinste Glucke.« Die Erinnerung machte Mary lächeln. »Bis ich ihm schließlich vor Augen hielt, dass Margaret sich auf diese Weise bald übertrieben wichtig nehmen oder übertrieben ängstlich werden würde. Anfangs begleitete er sie auf Schritt und Tritt. Ich habe nie jemanden so leiden sehen wie ihn, als sie das erste Mal ohne ihn auf Gilmuir blieb.«
    Sie schenkte Jeanne Tee nach. »Margaret war sechs Jahre alt und amüsierte sich prächtig, aber Douglas malte sich die schlimmsten Dinge aus – von der Influenza, der sie erliegen, bis zu einem Blitz, der sie erschlagen könnte.« Sie lachte leise. »Inzwischen hat er sich gebessert, sieht sie nicht mehr ständig das Opfer irgendeiner Katastrophe werden, sobald er sie aus den Augen lässt.«
    Mary lächelte, und Jeanne fiel auf, dass es schien, als leuchte sie von innen heraus.
    »Jetzt seid Ihr an der Reihe«, sagte Margarets Tante.
    Und Jeanne erzählte ihr die ganze Geschichte, von dem Moment, als sie von ihrem Vater in die Bibliothek zitiert worden war, bis zu den letzten Tagen, als sie zum zweiten Mal fürchtete, ihre Tochter nie wiederzusehen. Gewisse Einzelheiten wie die Nächte mit Douglas ließ sie unerwähnt, doch sie bezweifelte nicht, dass Mary sich diese Details zusammenreimen konnte.
    Jeanne stand auf und ging zu der wandbreiten Fensterreihe, die einen Ausblick auf den Firth und das dahinterliegende Castle bot. »Ich habe Douglas immer geliebt«, sagte sie leise, »und ich könnte nie einen anderen Mann lieben.«
    »Ihr habt teuer dafür bezahlt.«
    Jeanne nickte stumm.
    Gleich darauf spürte sie Marys Hand auf ihrer Schulter und drehte sich um. »Ihr könnt die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Wenn Ihr bedenkt, dass diese Erfahrungen Euch zu dem Menschen gemacht haben, der Ihr heute seid, verlieren sie ihren Schrecken und Ihr könnt auf dem Erlernten aufbauen.«
    »Ich habe Euch für so vieles zu danken.« Jeanne drehte sich ihr zu und nahm Marys Hände in ihre. »Danke, dass Ihr meine Tochter gerettet habt.«
    Mary lächelte nur und führte Jeanne zu dem Fenster, das auf den Bug hinausging. Dort, an der Reling, stand Douglas und neben ihm Margaret.
    Eine berauschende Freude durchströmte Jeanne. Alles, was sie sich für ihr Leben wünschte, all ihr Glück wurde von diesen beiden Menschen verkörpert.
    »Es ist Zeit«, sagte Mary.
    Jeanne nickte und machte sich auf den Weg zum Bug. Zwei Seeleute, an denen sie vorbeikam, tippten grüßend an ihre Mützen.
    Kurz bevor Jeanne Vater und Tochter erreichte, drehte Margaret sich um und ließ die Hand ihres Vaters los.
    »Papa hat mir eine Geschichte über meine Mutter erzählt«, sagte sie. »Ist die wahr?«
    Jeanne warf Douglas, der sich ebenfalls umgedreht hatte, einen ratlosen Blick zu.
    »Zum größten Teil«, kam er ihr zu Hilfe, indem er an ihrer Stelle antwortete.
    »Seid Ihr meine Mutter, Miss du Marchand?«
    Jeanne nickte stumm. Wie sollte sie ihrem Kind erklären, was damals geschehen war?
    Sie räusperte sich und brachte heiser hervor: »Ja, das bin ich.«
    »Und Ihr seid kein Engel.«
    Ihr sachlicher Ton machte Jeanne lächeln. »Da hast du recht.«
    »Wo wart Ihr die ganze Zeit?«
    Plötzlich wusste sie, was sie sagen musste.
    Sie ging ein paar Schritte und setzte sich auf eine Planke bei der Reling. Jeanne winkte Margaret nicht zu sich, blickte ihr abwartend entgegen. Das Kind musterte sie ein paar Sekunden lang ernst
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