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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht
Autoren: Karen Ranney
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Decke über sie breitete. Schlaftrunken dankte Jeanne ihm, und er küsste sie auf die Stirn.
    Als Jeanne die Augen aufschlug, begegneten sich ihre Blicke, und ihr war, als hätte sie ihm die Tür zu ihrer Seele geöffnet, ihn eingeladen, darin herumzuspazieren. Fast war sie versucht, ihn zu bitten, darauf zu achten, nichts in Unordnung zu bringen oder gar etwas Wertvolles wie eine Erinnerung zu zerschlagen.
    Doch sie sagte nichts, hob stattdessen die Hand und streichelte sein Gesicht. Er strich ihr eine Locke aus dem Gesicht und sah Jeanne dabei so liebevoll an, dass ihr die Tränen kamen.
    »Wir werden sie finden«, sagte er. »Ich verspreche es.«
    Noch gab es keine Zukunft für sie beide. Alles war in der Schwebe. Sie gingen vorsichtig aufeinander zu wie auf einer schmalen, gläsernen Brücke. Ein falsches Wort, und sie würde unter ihnen zusammenbrechen, ein falscher Schritt, und sie würden abstürzen.
    Jeanne begann, die Stunden zu zählen. Ein Dutzend und noch mal ein Dutzend. Ein Tag verging und noch einer, und irgendwann wusste sie, als sie aus dem Fenster schaute, nicht, ob sie die Morgen- oder die Abenddämmerung sah.
    Douglas suchte unermüdlich die Straßen der Stadt ab, sprach mit Bekannten, befragte seine Leute in Leith. Niemand hatte Margaret gesehen oder etwas über sie erfahren.
    Nachts kam er in Jeannes Bett, aber nur, um sie im Arm zu halten. Doch das Gefühl, ein zweites Mal am Unglück ihres Kindes schuld zu sein, vermochte auch Douglas’ Liebe und Fürsorge ihr nicht zu nehmen. Einmal wollte sie ihm sagen, wie leid es ihr tue, aber Tränen schnürten ihr die Kehle zu, und sie brachte kein Wort heraus.
    Er nahm sie noch fester in den Arm und flüsterte: »Wir werden sie finden, Jeanne. Glaube mir.«
    Sie konnte nur nicken.
    Als es am dritten Morgen klopfte und eines der Mädchen rief, dass sie das Frühstück bringe, schickte Jeanne sie weg. Als es gleich darauf wieder klopfte, reagierte sie nicht. Im nächsten Moment wurde hinter ihr leise die Tür geöffnet und geschlossen.
    Jeanne stand am Fenster und blickte in den wolkenverhangenen neuen Tag hinaus. »Ich habe doch gesagt, dass ich kein Frühstück will.«
    »Hast du die Absicht, hier oben zu bleiben, bis Margaret gefunden wird?«, fragte Douglas.
    Sie drehte sich ihm zu. »Nein. Heute begleite ich dich. Und morgen und übermorgen. Solange es eben dauert. Ich ertrage dieses Warten nicht länger.«
    Sie war zehn Jahre lang stark gewesen, und jetzt war es an der Zeit, wieder stark zu sein. Sie würden ihre Tochter finden. Gemeinsam.
    Er trat auf sie zu. »Ich freue mich über deine Begleitung.«
    Sie schloss die Augen und schmiegte sich dankbar in seine Umarmung.
    »Ich muss etwas tun«, erklärte sie ihm. »Diese Untätigkeit bringt mich um den Verstand. Wie soll ich das durchstehen, Douglas? Als ich sie damals verlor, hat es mich beinahe umgebracht.«
    Er küsste sie, doch es war eher ein Ausdruck der Fürsorge als der Leidenschaft. »Wir stehen das
zusammen
durch. Außerdem
haben
wir sie nicht verloren.«
    Wieder klopfte es, und einer der Lakaien erschien. Der Majordomus bestand darauf, sich jeden Tag an der Suche zu beteiligen, und so verteilte er seine Pflichten auf seine Untergebenen, die ängstlich darauf bedacht waren, keinen Fehler zu machen. Dieser junge Mann wirkte besonders unsicher und seine Verbeugung ob seiner ungewöhnlichen Größe besonders ungelenk.
    »Es ist Besuch für Euch gekommen, Sir. Ein Mr. Hamish MacRae. Er sagt, er habe wichtige Neuigkeiten über Miss Margaret.«
    Douglas stürmte mit Riesenschritten an ihm vorbei zur Tür hinaus. Jeanne raffte ihre Röcke und lief hinter ihm den Korridor entlang und die Treppe hinunter.
    »Wo ist sie?«, rief Douglas auf halber Strecke dem breitschultrigen Mann zu, der in der Eingangshalle stand.
    Hamish war ein Baum von Mann. Mehrere Narben zeichneten sein Gesicht, entstellten es jedoch nicht, sondern machten es noch markanter. Seine braunen Augen glitten von Douglas zu der ihm folgenden Jeanne.
    »Wo ist sie?«, wiederholte Douglas drängend, als er unten anlangte.
    »Es geht ihr gut«, antwortete Hamish lächelnd. »Sie hat Henry überredet, sie nach Gilmuir zu bringen.«
    »Nach Gilmuir?« Douglas starrte seinen Bruder entgeistert an.
    Jeanne war stehen geblieben und klammerte sich an das Geländer, denn ihre Beine drohten nachzugeben.
    Hamish nickte. »Sie sagte, sie müsse unbedingt mit Mary sprechen.«
    Douglas drehte sich zu Jeanne um, und sie sahen einander verwirrt
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