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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur
Autoren: Michael Theurillat
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sagte Zimmer. »Für einen Chirurgen ist das kein Problem.«
    »Eben. Und dann habe ich mit der Spurensicherung gesprochen. Die haben mir gesagt, dass es da ein Überwachungssystem gegeben hat.«
    Zimmer trank den letzten Schluck Whiskey. »Wir haben mit Peter Dubach einen unserer besten Leute verloren. Banz ist tot und jetzt auch noch der Ernest.« Der Mann vom SND stellte das leere Glas zurück auf den Tisch.
    »Drei Tote«, bemerkte Eschenbach.
    »Vier«, sagte Zimmer. »Ich glaube nicht, dass Judith Bill noch lebt.«
    Unus, duo, tres, quattuor  – Eschenbach fiel der Moment ein, als er im Kloster erwachte und Judith mit ihm auf Lateinisch gezählt hatte. Er sah Zimmer erwartungsvoll an:
    »War es wirklich Notwehr? Du darfst mich jetzt nicht anlügen, Paul.«
    »Ja, Notwehr.« Zimmers Blick war ernst. »Es ist die Wahrheit, auch wenn sie niemanden mehr interessiert. Ich habe angeordnet, dass man die Festplatte mit den Aufzeichnungen vernichtet.«
    Bevor Eschenbach den Zug zurück nach Zürich nahm, ging er hinunter an die Aare. Der trockene Herbst hatte seine Spuren hinterlassen und den Pegelstand des Flusses auf eine historische Tiefmarke gedrückt. Eschenbach taten die Fische leid. Er dachte an die Lachse in Kanada, die zwischen Juni und August die Flüsse hinaufschwammen, zurück an ihre Geburtsstätte, um zu laichen und zu sterben.
    Auch Billadier war zum Sterben zurückgekommen an den Ort seiner Bestimmung. Zurück in das Land, dessen Unabhängigkeit er einmal mit allen Mitteln verteidigen wollte. Der Kommissar entschied sich, noch einmal dorthin zu fahren, wo der Oberst seine letzten Stunden verbracht hatte.
    Im Hauptbahnhof in Zürich war Hochbetrieb. Pendlerströme überfluteten die Bürgersteige. Die Leute hetzten dem Feierabend entgegen, trugen schwere Tragtaschen und Mappen. Manche telefonierten noch, während sie an Eschenbach vorbei zu den Zügen rannten. Eine Flut verschwitzter Hemden stellte sich dem Kommissar entgegen. Er hatte Mühe durchzukommen. Wenn man sich dranmachte, dachte er, war Zürich eine Stadt, in der man Geld verdienen konnte.
    Eschenbach bestieg ein Taxi und fuhr nach Rüschlikon zur Klinik Rosen.
    »Wir haben Frau Dubach von der Station D ins Gästehaus verlegt«, sagte die Dame beim Empfang. »Sie können sie dort besuchen.«
    Eschenbach bekam einen Plan ausgehändigt.
    »Der Weg ist rot eingezeichnet. Es ist nicht schwer zu finden.«
    Das besagte Haus war eine alte, aufwendig renovierte Villa mit acht Einzelsuiten. Es lag ungefähr dreihundert Meter vom Hauptgebäude entfernt und war umgeben von einem herrlichen Garten mit alten Bäumen. Mitten auf dem Rasen stand eine große Skulptur. Sie erinnerte Eschenbach an den »Hammering Man« von Jonathan Borofsky, den er in Basel vor einem Gebäude der UBS schon gesehen hatte. Aber anders als dort schwang der Mann keinen Hammer: Er trug einen Koffer.
    Die Zimmer der Dépendance trugen die Namen berühmter Berge: Dufourspitze, Dom, Allalinhorn …
    »Ich würde gerne zu Frau Dubach«, sagte der Kommissar zur Stationsschwester.
    »Matterhorn.« Die Schwester begleitete ihn.
    Gisela Dubach saß draußen auf der Veranda an einem kleinen Tisch. Sie trug einen dunkelroten Hosenanzug und um den Hals geschlungen, grüngrau gemustert, ein Hermès-Tuch. Als die Schwester ihren Namen rief, erhob sie sich sofort, und als sie Eschenbach erblickte, kam sie freudestrahlend auf ihn zu.
    »Peter, mein Lieber … Wie schön, dass du mich besuchen kommst.«
    Der Kommissar war etwas unsicher. Er sah nach rechts zur Schwester, die ihm zublinzelte. Dann zuckte er zweimal mit den Schultern – weiter kam er nicht: Frau Dubach hatte ihn bereits mit beiden Armen umschlossen. Mit dem Kopf an seiner Brust sagte sie:
    »Ich muss dir unbedingt zeigen, was ich heute gelernt habe.« An der Hand führte sie ihn nach draußen.
    »Ich geh dann mal«, rief es von drinnen.
    Eschenbach nahm sich einen Stuhl. Er wollte sich gerade hinsetzen, als er auf dem Tisch die Karten sah. Wie versteinert blieb er stehen.
    »Du kennst es … Kannst es auch spielen?« Gisela Dubach saß bereits. Nun griff sie zu einem kleinen silbernen Koffer neben den Spielkarten. Sie öffnete ihn. Ein paar Reihen farbiger Jetons kamen zum Vorschein, sorgsam eingereiht in das schwarze Futteral des Köfferchens.
    »Woher haben Sie das?«, fragte der Kommissar.
    Gisela Dubach ging nicht darauf ein. Stattdessen deutete sie auf die Skulptur im Garten. »Siehst du den Mann dort? Den haben sie letzte
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