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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur
Autoren: Michael Theurillat
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er sich Banz, dessen Oberkörper noch immer rücklinks auf der Tischplatte liegt. Stehend begutachtet er den Bankier, bevor er ihm plötzlich mit der Handkante gegen das eine Knie schlägt. Das massige Bein des Bankiers bewegt sich kaum. Erstaunlich flink stemmt sich der Mönch auf den Tisch. Er inspiziert Banz im Bereich Kopf und Hals. Danach positioniert er sich hinter ihn und beginnt den massigen Körper mit beiden Händen hochzustemmen. Banz sitzt nun mit vornübergebeugtem Kopf auf der Tischkante, der Mönch kniet hinter ihm. Mit der einen Hand hält der Bruder den Bankier, mit der andern zieht er etwas unter seiner Kutte hervor.
    »Das ist übrigens die Walther PPK, die man später bei Kollege Eschenbach gefunden hat«, meldete sich Hösli zu Wort.
    Der Mönch verändert mehrmals die Position von Banz’ Kopf, als müsste er ihn für ein Foto herrichten.
    »Der Schuss, den wir hier natürlich nicht hören«, erklärte Hösli. »Er muss ihn so ausführen, dass die Kugel den Kehlkopf vollends zerstört. Dabei hat er ebenfalls das Problem, dass er die Halsarterie nicht verletzen darf. Sonst würde später die Foren­sische leicht darauf kommen, dass der Schuss erst post mortem ausgeführt wurde.«
    Banz kippt vornüber, fällt von der Tischkante und kommt bäuchlings auf dem Teppich zu liegen; der Mönch steigt vom Tisch hinunter, sieht sich um und verlässt das Büro eiligen Schrittes.
    »Es gibt ein paar Probleme«, sagte Hösli nach einem kurzen Moment des Schweigens. »Wir kennen die genaue Zeitdimension nicht. Die Überwachungskamera ist an einen Bewegungsmelder gekoppelt. Sie schaltet sich nach fünf Minuten von selbst aus. Und die integrierte Uhr, vermutlich durch einen früheren Stromausfall … Also, die zeigt irgendeine Zeit im Jahr 2001.«
    Zimmer seufzte hörbar.
    »Was wir zusammenbringen, ist eine Schätzung«, fuhr Hösli fort und sah kurz zu Horlacher. »Demnach müsste John McLaughlin– so heißt der Mann übrigens – keine zwanzig Minuten nach Frau Bills Verschwinden aufgetaucht sein.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt geht’s noch mal ungefähr zwei Stunden, bis Banz von einem Mann des Sicherheitsdienstes gefunden wird. Und eine halbe Stunde en plus , bis meine Leute da sind …«
    »Das meine ich nicht.«
    »Sondern?« Hösli blinzelte, weil Horlacher inzwischen die Jalousien hochlaufen ließ.
    »Dieser McLaughlin, die Festplatte … Was machen wir?«
    »Die Entscheidung liegt bei dir, Paul.«
    Der stellvertretende Chef des SND stand auf. »Wie viele Leute haben diesen Film gesehen?«
    »Wir beide«, sagte Hösli, dann blickte er zu Horlacher: »Und er.«
    »Und deine Leute bei der Kripo, Spurensicherung?«, fragte Zimmer.
    »Sie wissen, dass es diese Kamera gibt. Die haben den ganzen Kram ja entdeckt und zu uns ins TechLabor gebracht. Festplatte inklusive. Dort habe ich es mir angesehen.«
    »Allein?«
    »Bin ich denn ein Idiot?« Hösli stand verärgert auf. »Die Sachen waren bei uns versiegelt. Und der Typ, der es mir installiert hat … Also, den habe ich rausgeschickt. Danach wurde es als geheim klassifiziert, nochmals versiegelt und von euch Jungs abgeholt. Bei Duprey habt ihr das Sagen … hab’s schon verstanden.«
    Zimmer sah zu Adrian Horlacher.
    »Bei uns sind es die Üblichen«, sagte der Assistent.
    Paul Zimmer ging zum Fenster und schaute eine Weile ins wolkenlose Blau. »Ist dir eigentlich aufgefallen, dass wir einen wunderbaren Herbst haben? Milde Temperaturen … Das Marzili noch immer rammelvoll?«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Hösli.
    »Dass wir die Akte schließen.« Zimmer drehte sich um und sah den Polizeichef direkt an. »Ich werde dieses Jahr pensioniert, Max. Das wurde vorgestern entschieden, im Rahmen der Restrukturierung des Nachrichtendienstes.«
    »Du bist immerhin schon sechzig.«
    »Man schenkt mir die letzten Jahre.« Zimmer lachte. »Ohne Kürzung des Pensionsgehalts, wohlverstanden. Ich finde, wir sollten großzügig sein.«
    »Keine Rehabilitierung von Ernest? Jetzt, wo wir doch ganz genau wissen, wie die Sache gelaufen ist?«
    »Nur die katholische Kirche rehabilitiert ihre Toten. Let sleep­ing dogs lie , Max. Und stell den Eschenbach wieder ein. Es war eine Scheißidee, den da mit reinzuziehen.«
    »Ich weiß, hab’s ja schon gemacht.«

Kapitel 36
    Alte Kollegen und ein seltsames Spiel
    A m Montagmorgen um zehn nach neun wählte Eschenbach die direkte Nummer von Paul Zimmer. Die beiden Beamten führten ein längeres Telefongespräch. Am
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