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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur
Autoren: Michael Theurillat
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sagte Horlacher. »Ich finde das immer noch den besten Spruch, wenn’s ums Warten geht.«
    »Abgegriffen … hundertmal abgegriffen.« Hösli hörte mit dem Trommeln auf und rutschte tief in den Sitz hinein. »Ich wollte mal was Neues bringen …«
    In diesem Moment flog im Hintergrund des Sitzungsraums die Tür auf. Paul Zimmer kam herein, ging mit schnellem Schritt auf Hösli zu und begrüßte den Polizisten per Handschlag.
    »Hallo, Max, bleib sitzen.«
    Hösli, der sich in den paar Sekunden nur halb erhoben hatte, sank wieder auf seinen Stuhl zurück.
    »Sind wir so weit?« Zimmer blickte nun zu Horlacher. Als dieser nickte, setzte sich der SND-Chef neben Hösli an den Tisch.
    »Los geht’s!«
    Horlacher ließ über ein Steuerungspanel die Jalousien herunter. »Die Kontraste im Office sind nicht allzu scharf«, murmelte er. »Kommt hinzu, dass die Überwachungskamera alles aus der Totale gefilmt hat. Zirka fünf Meter vom Target entfernt. Drum ist’s besser, wenn’s dunkel ist.«
    »Von mir aus«, sagte Zimmer.
    Der Film startete.
    Das Bild zeigte einen massigen Mann in bequemer Leseposition hinter einem großen Schreibtisch.
    »Das ist Jakob Banz«, erklärte Adrian Horlacher.
    »Darauf wäre ich nie gekommen«, raunzte Hösli.
    »Ich mein ja nur. Weil alles schwarzweiß ist und ohne Ton.«
    Banz lehnt sich zurück, streckt die Beine und steckt sich die Zigarre, die er bisher in der Hand gehalten hatte, in den Mund. Er blättert in ein paar Unterlagen, legt sie beiseite und setzt sich auf. Aus der Schreibtischschublade holt er einen Laptop hervor. Er fährt den Computer hoch. Rauchwolken steigen auf. Seine rechte Hand holt sich die Zigarre wieder …
    »Wie lange dauert’s noch?«, wollte Zimmer wissen.
    »Eins siebenundzwanzig«, sagte Horlacher. »Ich habe uns einen Vorlauf von zwei Minuten gegönnt.«
    »Spulen Sie vor«, sagte Zimmer.
    Banz arbeitete und rauchte nun in achtfacher Geschwindigkeit.
    »Es ist alles digital«, murmelte Horlacher. Und als weder Hös­li noch Zimmer auf seine Bemerkung reagierten, meinte er weiter:
    »Will heißen, dass wir direkt zur ersten Szene hüpfen könn­ten. Wir müssen uns das nicht alles chronologisch …«
    »Herrgott, dann tun Sie’s doch«, sagte Zimmer und blickte dabei entnervt zur Decke.
    Auf der Leinwand griff Banz zum Telefon und bewegte den Mund.
    »Wir haben uns überlegt, ob wir das Gespräch rekonstruieren sollten. Wär kein Problem … die Lippenbewegungen sind deutlich zu erkennen. Es gibt Leute bei uns, die bringen das problemlos hin.« Hösli schaute erwartungsvoll in die Runde.
    »Ist es denn wichtig?«, fragte Zimmer.
    Hösli hob die Schultern. »Sehen Sie selbst.«
    Auf der Leinwand betrat eine junge Frau das Büro von Banz.
    »Judith Bill«, bemerkte Horlacher.
    Jakob Banz nimmt die Füße vom Schreibtisch. Er legt die Unterlagen beiseite, steht auf und reicht der jungen Frau die Hand.
    Von Judith sieht man nur den Rücken. Banz deutet mit der Hand auf den Laptop. Die beiden sprechen miteinander. Judith beginnt zu gestikulieren. Der Bankier lacht. Langsam geht er um den Schreibtisch herum auf Judith zu. Er legt seinen rechten Arm um ihre Schultern. Beide Personen blicken von der Kamera weg in die entgegengesetzte Richtung. Ein seltsames Bild. Der Bankier, gut einen Kopf größer als Judith, wirkt neben der zierlichen Silhouette der Frau wie ein Koloss; die Umarmung wie eine väterliche Geste. Aber Judith versucht sich Banz zu entziehen. Sie drängt sich von ihm weg nach rechts, wobei der Bankier mit dem zweiten Arm nachgreift. Beide Gesichter sind nun im Profil zu erkennen.
    An dieser Stelle fror das Bild ein, und Horlachers Stimme erklang aus dem Halbdunkel:
    »Seine linke Hand liegt hier auf ihrer Brust … Wir haben blow-ups gemacht von dieser Szene. Ich sag das nur, weil man’s schlecht erkennen kann.«
    Das Bild auf der Leinwand bewegte sich wieder.
    Aus einer halben Umdrehung heraus verpasst Judith dem verdutzten Bankier eine Ohrfeige. Banz greift nach, kriegt sie aber nicht mehr richtig zu fassen. Als Judith zu einem weiteren Schlag ausholt, packt er ihren Unterarm. Sie probiert es mit der anderen Hand. Es gelingt ihr. Ein zweites Mal im Gesicht getroffen, beginnt Banz zurückzuschlagen. Links, rechts. Zwei kräftige Hiebe. Judith taumelt zwei Schritte zurück, fasst sich mit der Hand ins Gesicht.
    »Ihre Augenbraue ist geplatzt, wie bei einem Boxer«, sagte Horlacher.
    »Aus dieser Wunde stammen übrigens die Blutflecken, die wir
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