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Rueckkehr nach River's End

Rueckkehr nach River's End

Titel: Rueckkehr nach River's End
Autoren: Nora Roberts
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durch das große Fenster beobachteten sie fasziniert, wie sich die Wellen hoben und senkten, wie sich das Meer weiter und weiter erstreckte, bis es schließlich mit dem Himmel zusammenstieß.
    Dann wollte Daddy mit ihr am Strand spielen, Sandburgen bauen, sie beide ganz allein. Aber ihre Tante sagte nein. Das war nicht erlaubt. Sie stritten sich, erst in den tiefen, zischenden Tönen, von denen Erwachsene offenbar annehmen, daß Kinder sie nicht hören können. Aber Olivia hatte sie gehört, und sie hatte dabei vor dem großen Fenster gehockt und beharrlich auf das Wasser gestarrt. Als dann die Stimmen lauter wurden, hatte sie sich gezwungen, nicht zuzuhören, weil sich ihr Magen verkrampfte und ihre Kehle brannte.
    So hörte sie nicht, wie Daddy Tante Jamie gemeine Dinge an den Kopf warf, wie Onkel David mit rauher Stimme sagte »Nimm dich in acht, Sam. Nimm dich nur in acht. Damit tust du dir keinen Gefallen.«
    Schließlich entschied Tante Jamie, daß es Zeit sei, nach Hause zu fahren, und trug sie zum Auto. Über die Schulter ihrer Tante winkte sie ihrem Vater zu, aber Daddy reagierte nicht. Er starrte nur vor sich hin und hielt die Hände zu Fäusten geballt.
    Danach erlaubte Mama ihr nicht mehr, zum Strandhaus zu fahren und den Wellen zuzusehen.
    Aber es hatte schon früher angefangen. Wochen vor dem Strandhaus, viele Wochen, bevor das Monster kam.
    Es fing in der Nacht an, als Daddy ihr Zimmer betrat und sie aufweckte. Er lief auf und ab und murmelte vor sich hin. Seine Stimme hatte einen harten Unterton, aber als sie in ihrem großen Bett mit dem weißen Spitzenhimmel aufwachte, fürchtete sie sich nicht. Schließlich war er ihr Daddy. Auch wenn sein Gesicht im Mondlicht böse wirkte und seine Augen bedrohlich funkelten, war er immer noch ihr Daddy.
    Ihr Herz hüpfte vor Liebe und Freude.
    Er ging zu ihrer Kommode und zog die Spieluhr mit der Blauen Fee aus >Pinocchio< auf.
    Sie setzte sich auf und lächelte verschlafen. »Hallo Daddy. Erzähl mir eine Geschichte.«
    »Ich erzähle dir eine Geschichte.« Langsam wandte er den Kopf und starrte seine Tochter an, den verwuschelten blonden Haarschopf und die großen Augen. Aber er sah nur seine eigene Wut. »Ich erzähle dir eine verdammte Geschichte, Livvy, mein Liebling. Über eine schöne Nutte, die lernt, wie man lügt und betrügt.«
    »Wo lebte diese Stute?«
    »Welche Stute?«
    »Die schöne Stute.«
    Da drehte er sich um, und durch seine Lippen entwich ein Knurren. »Du hörst mir nicht zu! Du hörst mir genauso wenig zu wie sie. Ich habe Nutte gesagt, verdammt noch mal!«
    Olivias Magen verkrampfte sich, als er sie so anschrie, und in ihrem Mund spürte sie zum ersten Mal in ihrem Leben den seltsam metallischen Geschmack von Angst. »Was ist eine Nutte?«
    »Deine Mutter. Deine verdammte Mutter ist eine Nutte.« Er fuhr mit dem Arm über die Kommode, und die Spieluhr und ein Dutzend andere kleine Schätze fielen krachend zu Boden.
    Olivia rollte sich im Bett zusammen und weinte.
    Er schrie sie an, sagte ihr, daß es ihm leid täte. »Hör sofort auf zu weinen!« Er würde ihr eine neue Spieluhr kaufen. Er trat zu ihr, um sie auf den Arm zu nehmen, doch er roch eigenartig, wie das Wohnzimmer nach einer Erwachsenenparty, bevor Rosa sauber machte.
    Dann stürzte Mama herein. Ihr Haar war offen, ihr Nachthemd leuchtete weiß im Mondlicht.
    »Sam, in Gottes Namen, was machst du hier? Ruhig, Livvy, hör auf zu weinen. Es tut Daddy leid.«
    Ihr heftiger Ausbruch hatte ihn fast wieder zur Besinnung gebracht. Er sah, wie sich die beiden blonden Köpfe aneinanderschmiegten. Die schockierende Erkenntnis, daß er seine Fäuste geballt hatte, und daß diese Fäuste es gar nicht erwarten konnten, endlich zuzuschlagen, ließ ihn aus seiner Trance erwachen. »Ich habe mich schon entschuldigt.«
    Als er sich auf sie zu bewegte, blickte seine Frau auf. In der Dunkelheit glänzten ihre Augen mit einer Schärfe, die an Hass grenzte. »Komm ihr bloß nicht zu nahe.« Der ernste, bedrohliche Unterton in der Stimme ihrer Mutter ließ Olivia aufschluchzen.
    »Sag mir nicht, daß ich mich von meiner eigenen Tochter fernhalten soll. Ich bin deine Befehle leid, Julie, verdammt leid.«
    »Du bist wieder high. Ich lasse dich nicht in ihre Nähe, wenn du Drogen genommen hast.«
    Danach hörte Olivia einen schrecklichen Streit, erneutes Krachen, den schmerzerfüllten Aufschrei ihrer Mutter. Sie sprang aus dem Bett und versteckte sich in ihrem Wandschrank unter einem Berg von
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