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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn
Autoren: Dane Rahlmeyer
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sagt’s denn?«, flüsterte Nelen ihrer Freundin zu. »So langsam wird aus dir doch noch eine richtige Geschäftsfrau! Ich bin entsetzt!«
    »Also dann!« Endriel erhob ihren Krug, wobei ihr Gewürztee fast überschwappte. Sie und ihre Mannschaft saßen auf ausgeleierten Sitzkissen an einem Tisch in der hintersten Ecke des Lachenden Hais , einer kleinen Taverne in Hafennähe, wo Kerzen und Öllampen auf wurmstichigen Tischen und Fensterbänken einen gemütlichen, orangefarbenen Schimmer verbreiteten, während Hafenarbeiter und Tagelöhner aller Völker den Tag ausklingen ließen. »Ich trinke auf eine erfolgreiche Lieferung und den sechsten von sieben Kunden, der es nicht geschafft hat, uns zu bescheißen!«
    Auch die anderen hoben die Tassen. Nur Keru zeigte Endriel seine blitzenden Zähne. »Hast du Kai Novus in deine Rechnung miteinbezogen? Soweit ich weiß, schuldet er uns immer noch dreißigtausend Gonn.«
    Sie strafte ihn mit einem finsteren Blick.
    Xeah reckte den Hals zu dem Skria neben ihr. »Das war unnötig, Keru, und du weißt das.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Ich meine ja nur, dass wir wesentlich besser dran wären, wenn er sein Wort gehalten hätte.«
    »Ja«, sagte Endriel giftig, »und wenn’s keine Schwerkraft gäbe, hätten wir’s alle sehr viel leichter!«
    Das brachte Keru zum Grinsen und auch Endriel lächelte, wenngleich widerwillig. »Wisst ihr, Nelen und ich haben mit Abschaum wie Shu-Xan, dem Narbengesicht, an einem Tisch gesessen, aber diese Verbrecher waren wenigstens ehrliche Verbrecher. Leute wie Delarko dagegen ...« Verdammt, sie hatte keine Zeit, sich mit diesen kleinkarierten Geizkragen herumzuschlagen; es gab Wichtigeres für sie zu tun!
    Während die anderen miteinander plauderten, versank sie in ihrer eigenen Welt. Ihre linke Hand fuhr die Konturen der Armschiene entlang, während sie weitere Passwortkombinationen versuchte. » Kai liebt Liyen?« Nein. » Dies ist das Passwort?« Nein. Und was war mit –
    Jemand tippte ihr auf die Schulter. »Äh, Kapitän, bevor unser Essen kommt – darf ich mir noch ein Bier bestellen? Es ist auch bestimmt das letzte!«
    Endriel bemühte sich um Geduld. »Miko, du bist mittlerweile achtzehn. Du darfst dir soviel Bier bestellen, wie du willst.« Sie blätterte ihm zehn Gonn hin.
    »Danke, Kapitän!« Er stürmte freudig zur Theke.
    Nelen, die vor ihrer Freundin auf dem Tisch saß und an einem Regenwurm kaute, nuschelte mit vollem Mund: »Mmmhm, wie immer bewundere ich deine pädagogische Weitsicht!«
    »Was denn? Er wird sich schon nicht betrinken!« Endriel wollte sich eben wieder der Armschiene widmen, als sie durch das Buntglasfenster den hageren Mann sah, der nichts ahnend die abendliche Straße überquerte. Dich kenn ich doch!
    Sie würde ihn überall wieder erkennen: kahl geschorener Schädel, hervorstehende Wangenknochen, das Gesicht mit Schleifenmustern tätowiert. Wie bei ihrer letzten Begegnung trug er schwarz. Aber noch bevor sie aufstehen konnte, war er schon wieder verschwunden.
    »Scheiße«, flüsterte sie.
    Ihre Mannschaft folgte fragend ihrer Blickrichtung.
    »Was ist los?« Nelen schluckte den Wurm hinunter. »Was hast du gesehen?«
    Endriel erklärte es ihr. Alle anderen am Tisch blieben ratlos, doch die Yadi wusste genau, wen sie meinte. Sie sprang vom Tisch und flatterte durch die Taverne, im Zickzack vorbei an Köpfen und Schultern. Dabei passierte sie auch den verwirrt blinzenden Miko, der mit seinem vollen Bierkrug zu den anderen zurückkehrte. »W-Was ist passiert, Kapitän? Was hat Nelen vor?«
    Endriel lächelte grimmig. »Eine alte Rechnung begleichen.«
    Nelen legte alle Kraft in die Flügel und kämpfte entschlossen gegen den Wind an, der ihr Kälte und Herbstlaub entgegenwehte. Der tätowierte Mann war nicht zu übersehen: Er ging schnurstracks die Straße hinab, die Hände in die Taschen der dunklen Jacke gesteckt. Seine Glatze schimmerte im Laternenlicht.
    Nelen flitzte wie ein winziger Schatten hinter ihm her, über Kopfsteinpflaster und Plätze hinweg, die vor Taubendreck ganz weiß waren. Sie hatte nicht vergessen, was der angemalte Mistkerl und sein Kumpan Endriel (und damit auch ihr) damals in Teriam angetan hatten.
    Nelens Eltern hatten ihr beigebracht, zu vergeben und zu vergessen. Trotzdem hatte sie die Geister immer wieder angefleht, dass sie ihren Peinigern wenigstens noch ein einziges Mal über den Weg laufen würden, um sich angemessen bei ihnen zu revanchieren. Es schien, als wären ihre Gebete
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