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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad
Autoren: Philippe Djian
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Tränen nah, auf der untersten Treppenstufe sitzen. Die Tasche fiel mir aus der Hand. Mir wurde schwarz vor Augen, fast wäre ich angesichts des Himmels, der sich da auftat, erstickt.
    - Verdammt nochmal, Dan … Wo warst du …?!! stöhnte sie. Ich wußte, wenn ich sie nicht auf der Stelle in meine Arme nahm, wenn ich sie nicht im nächsten Moment einatmete, war ich erledigt.
    - Ah, Elsie …!! stammelte ich.
    Wir fielen einander um den Hals. Wie von Sinnen riß ich sie vom Boden, und ich taumelte rückwärts, sie mit Küssen bedeckend, in die Sonne, ich lehnte mich mit ihr in die Öffnung der Tür.

14
    Ich brauchte vier Monate, um mit dem Drehbuch fertig zu werden. Nicht daß ich mein Händchen verloren oder herumgetrödelt hätte, nein, ich hatte etwas durchaus Außergewöhnliches verfaßt, tatsächlich hatte ich unermüdlich geschuftet, und ich hatte erreicht, was ich wollte.
    Am Abend, als ich die Schlußszene noch einmal durchlas, hatte es geschneit, die ersten Flocken des Januars, die ersten, die man in der Stadt zu sehen bekam.
    Ich hatte gute Arbeit geleistet, und ich wußte es. Ich hatte mein Herzblut gegeben plus alles, was ich als Drehbuchautor gelernt hatte. Von dem ursprünglichen Werk war nicht mehr viel übriggeblieben, ich hatte diese Idee gehabt, die mir von Anfang an durch den Kopf geschwirrt war, und als sie sich herauskristallisierte, hatte ich mit Marianne darüber geredet und zwei Bedingungen gestellt. Aus der Distanz betrachtet, wohlwissend, wie viele Drehbuchautoren auf der Straße saßen, fand ich, daß ich recht unverfroren war. Aber sie hatte akzeptiert. Es war mir gelungen, meine absolute Gewißheit, was den Erfolg des Projekts betraf, auf sie zu übertragen, dann hatte ich mich über ihren Schreibtisch gebeugt und ihr, entweder – oder, meine beiden Bedingungen genannt:
    1. Hermann übernimmt die Hauptrolle
    2. Ich will eine Gewinnbeteiligung, und sie hatte ja gesagt.
    Meines Erachtens war das die schönste Geschichte, die ich jemals geschrieben hatte. Und es war ein Geschenk für Hermann, ich hatte jede Minute daran gedacht, bei jedem Wort, das ich schrieb und das demnächst über seine Lippen kommen würde.
    Auf diese Weise war ich Gladys’ Liebling Nummer zwei geworden. Kaum drehte ich mich um, begoß sie meinen Teller mit phosphorhaltigen Anhydriden oder zerbrach Magnesiumampullen über meinem Bourbon. Wenn wir nebeneinander saßen, Hermann und ich, verdrehte sie regelrecht die Augen. Es kam nicht in Frage, daß mich jemand störte, wenn ich mitten in der Arbeit war, sie schob vor der Tür meines Schlafzimmers Wache, oder so gut wie.
    Dort hatte ich mich nämlich eingerichtet. Ich hatte das Wohnzimmer aufgegeben, in dem ich all diese lächerlichen Jahre lang meines Amtes gewaltet hatte, und die Einsamkeit des Langstreckenläufers wiederentdeckt. Ich hatte lediglich meinen Computer und einen Bleistift nach oben verfrachtet, und ich hatte mich mit Blick zur Wand gesetzt.
    Ich war nicht wieder zum Schriftsteller geworden, auch wenn sie es offenbar alle glaubten. Ich wußte, was sie hinter meinem Rücken sagten. Jede Stunde, die ich mich abkapselte, schien ihnen ein gutes Omen, waren sie es doch gewohnt, mich unten arbeiten zu sehen, in einer Wolke leichter Musik und jederzeit bereit, ein Gespräch anzuknüpfen oder mit zufriedener Miene von meinem Stuhl aufzuspringen. Ich mußte zugeben, die äußeren Anzeichen sprachen gegen mich, und die schlechte Laune, mit der ich an manchen Tagen die Treppe herunterstiefelte, setzte schon verwirrende Akzente, aber es war nicht so, wie sie meinten. Ich brauchte einfach Ruhe. Zumal die Zeit, da Hermann und ich die einzigen Bewohner der Bude waren, nur mehr eine ferne Erinnerung schien.
    Richard und Gladys hatten nach meiner Auseinandersetzung mit Dolbello quasi die Adresse gewechselt. Von Zeit zu Zeit schliefen sie zwar noch zu Hause, aber sie legten keinen großen Wert darauf, dem Kerl über den Weg zu laufen. Richard hatte mich gefragt, ob ich das verstehen könne, und ich konnte, und zudem störte es mich nicht, wenn sie da waren, ich dachte, Mat, ihr Vater, werde mich vom Himmel herab segnen und darüber wachen, daß meine Arbeit voranging. Sarah und ich hatten uns deswegen am Telefon angeschnauzt, einer jener Anrufe, bei dem einem die Trommelfelle platzen, sie brauche sich bloß anders zu verhalten, wenn sie wieder mehr von ihren Kindern haben wolle, hatte ich gebrüllt, und sie könne sich glücklich schätzen, daß sie nicht zu weit weg
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