Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
den Boden.
    Sarah stürzte herbei und schloß ihn wimmernd in die Arme. Ich war ebenfalls in einem schönen Zustand, aber ich hatte keinen Anspruch in puncto Erste Hilfe. Ich schleuderte den Holm des Stuhls über den Zaun. Dann beugte ich die Knie, und ich guckte ihn von unten her an, damit kein Mißverständnis aufkam.
    - Krümm Richard nur ein Haar, und ich bring dich um …! warnte ich ihn, bevor ich ging.
     
    Gladys gab mir Arnikatabletten, und Hermann lief los, um ein Handtuch in den Ozean zu tunken. Richard war untröstlich. Mein Kopf brannte wie Feuer, aber ich sagte, alles halb so schlimm, er könne nichts dafür, es gebe nun mal gewisse Personen, mit denen könne man nicht reden, und leichter ums Herz sei mir auch. Zumindest waren die Dinge jetzt klar.
    Als die Nacht hereinbrach, streiften sie durch die Dünen, um trockenes Holz zu sammeln. Das Tuch, das ich gegen mein Gesicht drückte, war glühend heiß. Ich rappelte mich mühsam auf, dann stapfte ich zum Wasser. Ich versuchte, mit den Fingerspitzen mein Gesicht wiederzuerkennen, aber es schien mir hart wie verleimter Karton. Das Meer war glatt, starr dahingestreckt im Mondschein. Ich schritt hinein bis über die Waden, und ich kniete mich mitten in die kleinen Wellen, daß sie sich mollig um meine Oberschenkel bauschten. Ich hatte nicht einen Tropfen Blut verloren, aber ich spürte, wie es in meiner rechten Gesichtsälfte toste. Ich beugte mich nach vorne, dann tauchte ich die wunde Stelle in die himmlische Kühle. Meine letzte Especial rutschte aus meiner Hemdentasche und sank auf den Grund, nicht mehr und nicht weniger, aber ich zuckte nicht einmal zusammen. Das Wasser war wohltuend weich, ich spürte, daß sich mein Auge, einer Seeanemone gleich, öffnete.
    Als nächstes streckte ich mich aus und ließ mich auf dem Rücken treiben, wenige Schritte vom Ufer, die rechte Wange tief im Wasser und den Geist abgeschaltet, um Ruhe zu finden. Ich sagte ihnen, sie sollten sich keine Sorgen machen.
    Als ich im Sand strandete, prasselte das Feuer, und jede Menge Funken stiebten in die Luft und wirbelten im Wind. Ich wickelte mich in Hermanns Badetuch. Sie fanden ebenfalls, daß es meinem Auge besser ging und daß ich auch sonst nicht allzu lädiert war, trotzdem, ich war am ganzen Körper zerkratzt. Ich zog mich um. Gladys hatte sich ins Haus geschlichen, um meine Tasche zu holen. Sie hatte Sarah gesehen. Dolbello stand unter der Dusche. Sarah war dabei, ihm ein Schlafmittel zuzubereiten. Ich sagte, es sei mir egal, was sie trieben. Ich fragte, ob jemand einen Schluck von meinem Bourbon wolle, dann rückte ich ein Stück zur Seite, ich sagte, ich könne mit meinem Gesicht nicht zu nah am Feuer sitzen.
    Ich hatte keine Lust zu sprechen. Meine Wut war verflogen, aber stattdessen empfand ich eine unangenehme Leere. Ich streckte mich aus, und ich hörte ihnen zu, sofern nicht gerade mitten im Satz ein Ast im Feuer knackte oder ihre Stimmen im Zirpen der Grillen untergingen.
    Als der Tag anbrach, fuhren sie mich zum Flughafen, dann rasten sie, wie vereinbart, wieder los. Ich stand eine Weile wie angewurzelt inmitten der Halle, mit diesem Loch, diesem Gefühl der Leere, das mich die ganze Nacht nicht losgelassen hatte.
    Während des Flugs blieb der Platz neben mir leer. Nicht daß mein Gesicht derart angeschwollen war, daß man meine Gesellschaft bewußt gemieden hätte – davon war ich hinter meiner wayfarer weit entfernt –, trotzdem, es war eben so. Ein Loch von der Größe eines Schuhkartons in der Lungengegend.
    Ich glaubte nicht, daß es günstig war, in ein leeres Haus zurückzukehren, aber ich hatte keine zündende Idee. Ich holte mein Motorrad aus Sarahs Garage. Ich überlegte kurz, ob ich ein wenig durch die Gegend fahren sollte, ob das irgendeinen wohltuenden Einfluß haben könnte, dann verzichtete ich darauf und lenkte meine Maschine direkt nach Hause.
    Dort angekommen, entschied ich, daß sie nicht einwandfrei lief, ich fuhr sie vor die Tür und bückte mich, um mir den Leerlauf und alles andere anzuhören, und ich merkte, was zu tun war. Ich nahm das Gas weg. Ich bockte sie auf den Ständer und betrachtete sie einen Moment, wohlwissend, daß ich damit zwar nicht meinen Seelenfrieden, aber immerhin eine gewisse Erleichterung finden konnte. Dann blickte ich mich um, ich überlegte mir, daß ich mit dem Garten weitermachen, vielleicht auch den Stoff meiner Liegestühle erneuern oder die Fenster streichen könnte.
    Als ich eintrat, sah ich sie, den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher