Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
erklärte, wir könnten bald essen, und verhehlte kaum ihr Entzücken, daß ich nicht alles über den Haufen geworfen hatte, wie sie es nannte. Sie war bescheuert. Als ob es zig Möglichkeiten gab, die Dinge zu sehen. Sie fühlte sich unwohl, dennoch lächelte sie. Es wollte mir nicht gelingen, ihren Zügen einen bestimmten Ausdruck zu entnehmen, ihr Gesicht war ein Sammelsurium widersprüchlicher Empfindungen, als müßte sie es sich verkneifen, pinkeln zu gehen, das war schon komisch und doch so bitter, daß ich wie vor den Kopf geschlagen war. Wenn man sich die beiden ansah, mochte man glauben, man sei zu Besuch in einer Nervenklinik.
    Dolbello zog einen Moment lang eine schiefe, zufriedene Visage, als er sie betrachtete und mit Blicken auszog. Dann drückte er sich in seinen Stuhl und legte die Füße auf den Tisch.
    - Mein Schatz, ich habe Dan gerade erklärt, daß es höchste Zeit war, die Sache in die Hand zu nehmen …! In letzter Zeit haben wir mit Richard sowieso nur Enttäuschungen erlebt …
    Ich rutschte ein wenig auf meinem Kunstharzsessel:
    - Oh …. hör mal …. das Ganze ist ziemlich kompliziert … Das heißt, ich weiß nicht, wie Sarah darüber denkt …. naja, weißt du, ich finde, man sollte da sehr behutsam …
    Ich reckte Sarah meinen Hals entgegen, hängte mich an ihre Lippen, ganz so, als wollte ich den letzten Willen eines Todgeweihten ablesen, aber es kam nichts, nicht das geringste Zeichen, kein Brauenrunzeln, nicht die Spur von einer Meinung. Sie machte den Eindruck, als könne sie nichts mehr treffen, als wolle sie sagen:
    - Töte mich, das ist auch nicht mehr von Belang …!
    In diesem Moment wäre ich fast aufgestanden. Ich verstand nicht mehr, wofür ich überhaupt da war. Ich hatte ihr versprochen, mich nicht einzumischen, aber hatte ich auch zugesagt, als überflüssiger Dritter dabeizusein, hatten wir eine Abmachung getroffen, die mich verpflichtete, sie mit all ihrem Kram noch länger zu ertragen …?! Schon trank ich mein Glas aus. Hörte diesem Sack kaum noch zu, der mir, einmal in Schwung, versicherte, er habe da seine eigene Methode. Bis auf den letzten Tropfen, dann setzte ich es heftig ab. Und ich wäre fast aufgestanden, doch in diesem Moment kam Richard.
    Er tauchte am hinteren Ende des Gartens auf, oben auf der Düne, die die Absperrung umgeknickt hatte. Er schlenderte sie seelenruhig hinab, die Hände in den Taschen, Gandalf im Schlepptau und ziemlich locker für einen, der sich in die Höhle des Löwen stürzt.
    Er hüpfte hinunter und ging auf das Haus zu, ohne auch nur im mindesten zu zögern.
    Im ersten Moment hatte es Dolbello die Sprache verschlagen, doch sein Schweigen verseuchte die Luft, und er kniff die Augen zusammen und zog die giftigste Flappe, die man je gesehen hat. Man konnte die Pimennadeln fallen hören, während Richard näherkam. Ich zündete mir eine Especial an (ich stand mich gut mit dem Hause Monte Cristo), um zu zeigen, auf welcher Seite ich war, ich blies einen feinen Rauchfaden in den pastellfarbenen Sonnenuntergang und warf das Streichholz.in mein Glas.
    Er ging an uns vorbei, ohne uns irgendeine Aufmerksamkeit zu schenken, mit diesem kalten, teilnahmslosen Gesichtsausdruck, den er schon hatte, als wir ihn aus dem Keller befreit hatten. Wir verdienten nichts Besseres, dessen war ich mir vollkommen bewußt. Das war keine Welt, auf die wir stolz sein konnten.
    Dolbello blickte ihm nach, bis er in der Bude verschwunden war, dann verzogen sich seine Lippen zu einem verächtlichen Lächeln, und er fing vor meiner Nase an zu feixen:
    - Das ist nur eine Frage des Umgangs … Aber da werde ich mich schnell drum kümmern, sei unbesorgt …
    Ich musterte ihn einen Moment, dann betrachtete ich gelassen das Mundstück meiner Zigarre.
    - Dan …. ich will offen zu dir sein …
    Ich wollte, daß er überhaupt nichts zu mir war. Mein Mülleimer stand weit offen.
    - Dan …. ich will dir die Wahrheit sagen. Ich glaube, das geht auch dich an, die Art, wie du deine Freunde aussuchst. Ich bin nicht du, aber ich sag dir, was ich denke: du solltest in deiner Umgebung ein wenig aufräumen … Es gibt da einige, die einen schlechten Einfluß auf Richard ausüben, es wird Zeit, daß du das merkst … Man tut ihm keinen Gefallen damit, wenn man ihn mit diesen Leuten zusammenkommen läßt, da hat niemand etwas von …
    Ich beobachtete die Wirkung meines bloßen Atmens in seinem glühenden Auge, und ich sah die Flammen auf seinem Scheiterhaufen und die Art, wie er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher