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Roverandom

Roverandom

Titel: Roverandom
Autoren: J. R. R. Tolkien
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lag im reinen trockenen Sand, der noch kühl war, weil er die ganze Nacht unter den Sternen gelegen hatte.
    Als jedoch die kleinen Jungen auf dem Heimweg vorbeikamen und ihn nicht bemerkten und er sich ganz allein auf dem leeren Strand zurückgelassen sah, war er nicht ganz so zufrieden. Der Strand war verlassen, nur die Möwen waren da. Außer den Abdrücken ihrer Klauen im Sand waren die einzigen anderen Fußabdrücke, die zu sehen waren, die der kleinen Jungen. An diesem Morgen hatte sie ihr Spaziergang zu einem sehr abgelegenen Teil des Strandes geführt, den sie selten besuchten. Tatsächlich kam es nicht oft vor, dass dort jemand entlangwanderte; denn obwohl der Sand rein und gelb, der Kies weiß und das Meer blau war, mit silbrigem Schaum in einer kleinen Bucht unter den grauen Klippen, lag eine eigentümliche Stimmung über dem Fleck, außer am frühen Morgen, wenn die Sonne just aufgegangen war. Die Leute sagten, dorthin kämen sonderbare Wesen, manchmal sogar nachmittags; und gegen Abend versammeltensich dort Wassergeister und Nixen, ganz zu schweigen von den kleineren See-Kobolden, die ihre kleinen Seepferde mit Zügeln aus grünem Tang bis an die Klippen lenkten und sie dort im Schaum am Rand des Wassers zurückließen.
    Nun, der Grund für diese ganze Wunderlichkeit war einfach: Die ältesten aller Sandzauberer lebten in dieser Bucht, Psamathisten , wie das Meervolk sie in seiner planschenden Sprache nennt. Dieser hier hießPsamathos Psamathides, sagte er jedenfalls, und um die richtige Aussprache machte er einen großen Wirbel. Doch er war ein kluges altes Geschöpf, und alles mögliche sonderbare Volk kam, um ihn zu besuchen; denn er war ein hervorragender Zauberer und obendrein sehr freundlich (bei den richtigen Leuten), wenn auch nach außen hin ein wenig barsch. Noch Wochen nach einer seiner mitternächtlichen Gesellschaften pflegte das Meervolk über seine Scherze zu lachen. Doch ihn tagsüber zu finden, war nicht leicht. Er lag gern im warmen Sand vergraben, wenn die Sonne schien, sodassnicht mehr als die Spitze eines seiner langen Ohren hervorlugte; und selbst wenn beide Ohren zu sehen waren, hätten die meisten Leute wie du und ich sie für abgebrochene Stöcke gehalten.
    Es ist möglich, dass der alte Psamathos alles über Rover wusste. Mit Sicherheit kannte er den alten Zauberer, der ihn verwünscht hatte; denn Magier und Zauberer sind dünn gesät, und sie kennen einander sehr gut und haben auch ein wachsames Auge darauf, was die anderen treiben, denn sie sind im Privatleben nicht immer die besten Freunde. Auf jeden Fall lag Rover dort im weichen Sand und fing an, sich sehr einsam und ziemlich unbehaglich zu fühlen, und auchPsamathos war dort, wenn Rover ihn auch nicht sah, und beäugte ihn aus einem Sandhaufen, den ihm die Nixen in der Nacht zuvor errichtet hatten.
    Aber der Sandzauberer sagte nichts. Und Rover sagte nichts. Und die Frühstückszeit verging, und die Sonne stieg und wurde heiß. Rover blickte zum Meer, das sich kühl anhörte, und dann bekam er einen furchtbaren Schreck. Zuerst dachte er, dass ihm Sand in die Augen geraten sei, aber bald erkannte er, dass kein Irrtum möglich war: Das Meer kam näher und näher und verschlang mehr und mehr Sand; und die Wellen wurden andauernd größer und größer und schaumiger.
    Die Flut lief auf, und Rover lag unmittelbar unter der Hochwassermarke, doch davon hatte er keine Ahnung. Seine Angst wurde immer größer, als er zusah und daran dachte, dass die spritzenden Wellen bis zu den Klippen kommen und ihn in die schäumende See spülen würden (die weit schlimmer war als eine schäumende Badewanne), während er noch immer jämmerlich Männchen machte.
    Das hätte ihm tatsächlich zustoßen können; aber nichts geschah. Ich glaube, dass Psamathos etwas damit zu tun hatte; auf jeden Fall stelle ich mir vor, dass der Bann des Zauberers in dieser sonderbaren Bucht nicht so stark war, so nahe beim Wohnsitz eines anderen Magiers. Fest steht, dass Rover, als die See sehr nahe gekommen war und er vor Angst fast platzte und sich abmühte, sich ein wenig höher auf den Strand zu wälzen, plötzlich feststellte, dass er sich bewegen konnte.
    Seine Größe hatte sich nicht verändert, aber er war kein Spielzeug mehr. Er konnte sich, wie es sich gehörte, mit allen vier Beinen rasch bewegen, obgleich es noch heller Tagwar. Er brauchte keine Männchen mehr zu machen, und er konnte über den Sand laufen, wo er härter war; und er konnte bellen –
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