Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
hat. Ich durchstreifte die drei Stockwerke dieses großartigen Gebäudes, auf welches die Ehrfurcht mir beinahe die Füße zu setzen verbot. Der Wiederhall meiner Schritte unter diesen unermeßlichen Gewölben kam mir wie die gewaltige Stimme ihrer Erbauer vor. Ich verlor mich wie ein Insekt in dieser Unermeßlichkeit. Ich hatte, so klein ich mich auch machte, ein eigenthümliches Gefühl, das mir die Seele erhob, und seufzend sagte ich zu mir: »Ach, daß ich nicht als Römer geboren bin!« Mehrere Stunden blieb ich dort in einer entzückenden Betrachtung. Ich kehrte zerstreut und träumerisch von dort zurück, und diese Träumerei war der Frau von Larnage nicht günstig. Sie hatte wohl daran gedacht, mich gegen die Mädchen von Montpellier zu schützen, aber nicht gegen den Pont du Gard. Man denkt nie an alles.
    In Nimes suchte ich die Arena auf. Sie ist ein weit prächtigeres Bauwerk als der Pont du Gard und machte trotzdem einen weit geringeren Eindruck auf mich, sei es nun, daß sich meine Bewunderung bei dem ersten Gegenstande erschöpft hatte, oder auch die Lage der Arena mitten in einer Stadt weniger geeignet war, sie hervorzurufen. Dieses weite und wunderbar schöne Amphitheater ist von elenden kleinen Häusern umringt, und andere noch elendere und noch kleinere Häuser füllen überdies das Innere desselben aus, so daß das Ganze einen ungleichartigen und verworrenen Anblick gewährt, bei welchem der Aerger und die Entrüstung das Vergnügen und das Erstaunen zurückdrängen. Ich habe seitdem das Amphitheater von Verona gesehen, das ungleich kleiner und weniger schön als das von Nimes ist, aber mit pietätsvollstem Kunstsinn und größter Sauberkeit im Stande erhalten wird, wodurch es auf mich einen weit stärkeren und angenehmeren Eindruck ausübte. Die Franzosen sorgen für nichts und haben vor keinem Monument Achtung. Während sie beim Beginnen ganz Feuer sind, wissen sie nichts zu Ende zu führen, noch zu unterhalten.
    Ich hatte mich in so hohem Grade verändert und meine in Thätigkeit versetzte Sinnlichkeit war dergestalt erregt, daß ich einen Tag in Pont de Lunel verweilte, um mit der Gesellschaft, die sich dort aufhielt, eine gute Tafel zu führen. Dieses Wirthshaus, das bekannteste in Europa, verdiente damals seinen Ruf. Die Besitzer hatten seine günstige Lage benutzt, um es mit reichlichen und auserlesenen Lebensmitteln zu versehen. Es war wirklich merkwürdig, in einem völlig einsam gelegenen Hause auf dem Lande einen mit See- und Süßwasserfischen, vortrefflichem Wild und feinen Weinen besetzten Tisch zu finden, an dem man mit einer Aufmerksamkeit und Höflichkeit bedient wurde, wie sie sonst nur bei den Vornehmen und Reichen vorkommt, und alles dies für eure fünfunddreißig Sous. Aber Pont de Lunel blieb nicht lange auf diesem Fuße, und als es erst anfing, seinem Rufe nicht mehr ganz zu entsprechen, verlor es ihn endlich ganz.
    Während meiner Reise hatte ich ganz vergessen, daß ich krank war; bei meiner Ankunft in Montpellier dachte ich erst wieder daran. Meine Hypochondrie war zwar geheilt, aber alle meine andren Leiden waren nicht gewichen, und wenn sie mir die Gewohnheit auch weniger fühlbar machte, waren sie doch für jeden, der auf einmal von ihnen befallen wäre, groß genug, um sich für einen Todescandidaten zu halten. In Wahrheit waren sie weniger schmerzlich als beunruhigend, so daß mehr der Geist als der Körper, dessen Auflösung sie anzukündigen schienen, unter ihnen litt. Von heftigen Leidenschaften erregt, dachte ich deshalb nicht mehr an meinen Zustand; da er aber keineswegs auf Einbildung beruhte, machte er sich mir in ruhigen Augenblicken bald wieder bemerkbar. Ich dachte deshalb ernstlich an die Rathschläge der Frau von Larnage und an den Zweck meiner Reise. Ich befragte die erfahrensten und berühmtesten Aerzte, namentlich Herrn Fizes, und aus übertriebener Vorsicht gab ich mich bei einem Arzte in Kost. Es war ein Irländer, Namens Fitz Moris, der einen ziemlich zahlreich besuchten Tisch für Studenten der Medicin hielt. Ein Kranker, der sich dieser Tischgesellschaft anschloß, hatte noch den Vortheil, daß sich Herr Fitz Moris mit einem anständigen Kostgelde begnügte und von seinen Kostgängern für seine ärztlichen Bemühungen nichts nahm. Er sorgte für die Ausführung der Verordnungen des Herrn Fizes und wachte über meine Gesundheit. Er erfüllte diese Pflicht, was die Diät anlangt, sehr gut; man zog sich bei dieser Beköstigung keine Magenbeschwerden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher