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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Einverständnis entging dem Marquis nicht. Ich war deshalb nicht weniger sein Stichblatt; im Gegentheil, er behandelte mich mehr als je wie einen armen schüchternen Liebhaber, wie einen Märtyrer der Grausamkeit seiner Dame. Nie entschlüpfte ihm ein Wort, ein Lächeln, ein Blick, aus dem ich hätte Verdacht schöpfen können, daß er uns errathen, und ich würde ihn für den von uns Getäuschten gehalten haben, wenn mir Frau von Larnage, die besser als ich sah, nicht gesagt hätte, er wäre nicht hintergangen, wäre aber ein Ehrenmann. Wirklich hätte man keine artigeren Aufmerksamkeiten bezeigen und sich nicht höflicher benehmen können, als er es immer, selbst gegen mich, that, wenn ich von seinen Neckereien absehe, namentlich von dem Augenblicke meines Erfolges an. Er schrieb mir vielleicht die Ehre desselben zu und hielt mich für weniger dumm, als ich ausgesehen hatte. Wie man gesehen, war er im Irrthum; aber was that es, er kam mir zu Gute, und da ich die Lacher einmal auf meiner Seite hatte, so gab ich mich willig und mit ziemlich guter Miene zur Zielscheibe seiner Spöttereien her und gab sie ihm auch mitunter in gleicher Münze zurück, ganz stolz darauf, in Frau von Larnage's Gegenwart den Geist zu Ehren zu bringen, den sie mir eingehaucht hatte. Ich war nicht mehr derselbe Mensch.
    Wir waren in einem Lande und in einer Jahreszeit reicher Tafelfreuden. Dank der Fürsorge des Marquis war die Bewirthung überall vorzüglich. Gleichwohl hätte ich gern darauf Verzicht geleistet, daß er sie auch bis auf unsere Zimmer ausdehnte; aber er schickte seinen Diener voraus, um sie zu belegen, und dieser Schuft brachte, sei es nun aus eigenem Antriebe oder auf Befehl seines Herrn diesen stets neben Frau von Larnage unter, während er mich in das andere Ende des Hauses steckte. Aber das setzte mich nicht leicht in Verlegenheit, und unsere Rendezvous gewannen dadurch nur an Reiz. Dieses wonnevolle Leben währte vier oder fünf Tage, während deren ich mich an den süßesten Genüssen berauschte. Die Seligkeit, die ich empfand, war rein, tief und ohne irgend eine Beimischung von Schmerz. Es sind die ersten und die einzigen Freuden, die ich in solcher Weise genossen habe; und ich kann sagen, daß ich es Frau von Larnage verdanke, wenn ich nicht sterbe, ohne die Sinnenlust kennen gelernt zu haben.
    Wenn das, was ich für sie empfand, nicht gerade Liebe war, so war es wenigstens eine so zärtliche Erwiderung der Liebe, die sie mir an den Tag legte, es war eine im Genuß so glühende Sinnlichkeit und eine in unsern Unterhaltungen so innige Vertraulichkeit, daß es allen Reiz der Leidenschaft besaß, ohne etwas von ihrer Raserei an sich zu haben, die nur den Kopf verdreht und den Genuß aufhebt. Ich habe nur einmal in meinem Leben wahre Liebe empfunden, und das war nicht an ihrer Seite. Ich liebte sie auch nicht, wie ich Frau von Warens geliebt hatte und noch immer liebte; aber gerade um deswillen besaß ich sie hundertmal mehr. Bei Mama war mein Genuß stets durch ein Gefühl von Traurigkeit, durch einen geheimen Druck auf dem Herzen getrübt, von dem ich mich nicht so leicht wieder frei machen konnte, statt mich ihres Besitzes wegen glücklich zu schätzen, warf ich mir vor, sie herabzuziehen. Bei Frau von Larnage dagegen überließ ich mich freudig und zuversichtlich der Sinnlichkeit, stolz darauf ein Mann zu sein und an ihrer Seite glücklich zu werden; ich theilte den Eindruck, den ich auf ihre Sinne ausübte; ich blieb meiner Herr genug, um mit eben so großer Eitelkeit wie Wollust meinen Triumph anzuschauen und ihn dadurch zu verdoppeln.
    Ich erinnere mich nicht des Ortes, an dem der Marquis, welcher aus der Gegend war, von uns schied; aber wir befanden uns, ehe wir Montelimar erreichten, allein, und von da an brachte Frau von Larnage ihre Kammerfrau in meinem Wagen unter, während ich bei ihr in dem ihrigen fuhr. Ich kann versichern, daß uns die Reise auf diese Weise nicht langweilig wurde, und ich würde schwerlich im Stande sein, die Gegend, durch die wir kamen, zu beschreiben. In Montelimar wurde sie von Geschäften drei Tage festgehalten, während deren sie mich trotzdem nur eine Viertelstunde verließ, um einen Besuch zu machen, der unangenehme Belästigungen und Einladungen zur Folge hatte, die sie sich anzunehmen hütete. Sie schützte Unwohlsein vor, welches uns jedoch nicht hinderte, täglich in der schönsten Gegend und unter dem schönsten Himmel von der Welt für uns allein spazieren zu gehen. Ach,
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