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Roulette des Herzens

Roulette des Herzens

Titel: Roulette des Herzens
Autoren: Lisa Kleypas
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Schuldgefühle überkamen sie. Du lieber Gott! Wie sollte sie mit dem Wissen, so etwas getan zu haben, weiterleben?
    Halb neugierig, halb mitleidig sah sie das Opfer des Überfalls an. Sein blutüberströmtes Gesicht war schwer zu erkennen, doch es schien sich um einen jungen Mann zu handeln. Er trug elegante Sachen, wie sie in der Bond Street verkauft wurden. Plötzlich bemerkte Sara, dass seine Bruststich hob und senkte, und zwinkerte überrascht.
    »Sir?« fragte sie und beugte sich über ihn.
    Er schnellte hoch, und vor Schreck schrie sie auf. Eine starke Hand packte sie am Oberteil des Kleides und hielt sie fest, so dass sie nicht zurückweichen konnte Die andere legte sich ihr auf die Wange. Die zitternden Finger des Mannes verschmierten ihre Brille mit Blut. Nach einem weiteren verzweifelten Versuch, sich zu befreien, sank sie neben dem Mann auf die Straße.
    »Ich habe die Angreifer vertrieben, Sir.« Unsicher bemühte sie sich, seine Finger von ihrem Kleid zu lösen. Er hielt sie jedoch mit eisernem Griff fest. »Ich glaube, ich habe Ihnen das Leben gerettet. Bitte … lassen Sie mich los.«
    Er schwieg lange. Schließlich ließ er die Hand sinken und über ihren Arm gleiten, bis er das Handgelenk erreicht hatte. »Helfen Sie mir auf », sagte er matt. Seine Aussprache hatte sie überrascht. Sie hatte nicht damit gerecht, dass jemand wie er, der so elegante Sachen trug, einen Cockneyakzent haben würde.
    »Es wäre besser, wenn ich Hilfe hole.«
    »Nicht hier«, brachte er heraus. »Sie Hohlkopf! Man würde uns im Nu beklauen und kaltmachen.«
    Gekränkt durch die schroffe Weigerung, fühlte sie sich versucht, ihn darauf hinzuweisen, er könne ihr ruhig etwas Dankbarkeit bekunden. Aber er müsste beträchtliche Schmerzen haben. »Ihr Gesicht, Sir«, erwiderte sie zögernd.
    »Wenn Sie mir erlauben würden, mein Taschentuch aus dem Ridikül zu nehmen …«
    »Sie haben den Schuss abgegeben?«
    »Ich befürchte, ja.« Sie schob die Hand in den Beutel, tastete an der Pistole vorbei und fand das Taschentuch. Ehe sie es jedoch hervorziehen konnte, hatte der Mann den Griff um ihr Handgelenk verstärkt. »Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sagte sie leise.
    Er lockerte den Griff, und sie nahm das saubere Leinentaschentuch heraus. Sacht wischte sie ihm das Gesicht ab und drückte das gefaltete Tuch auf den scheußlichen Schmiss, der von der Augenbraue bis zur Mitte der anderen Wange verlief. Die Narbe würde entstellend sein. Sara hoffte, der Mann möge das Sehvermögen auf dem Auge nicht verlieren. Ein gequältes Zischen kam ihm über die Lippen, und Blut bespritzte sie. Sie zuckte zusammen, berührte ihn an der Hand und legte sie ihm auf sein Gesicht. »Können Sie das Taschentuch festhalten? Gut! So, wenn Sie hier warten, versuche ich, jemanden zu finden, der uns behilflich ist.«
    »Nein.« Der Mann ließ ihr Kleid nicht los. Seine Fingerknöchel drückten gegen ihre Brüste. »Ich bin in Ordnung.
    Schaffen Sie mich zu ›Craven‹ in der St. James Street.«
    »Ich bin nicht kräftig genug und kenne die Stadt auch nicht sehr gut…«
    »Das ist ganz in der Nähe.«
    »Und was geschieht mit dem Mann, den ich erschossen habe? Wir können die Leiche doch nicht hier liegenlassen.«
    Der Mann schnaubte verächtlich. »Zur Hölle mit ihm! Bringen Sie mich nach St. James.«
    Sara fragte sich, was er tun würde, falls sie sich weigerte. Er schien ein aufbrausendes Wesen zu haben. Ungeachtet der Verletzungen war er immer noch imstande, ihr weh zu tun. Seine an ihrem Busen liegende Hand war groß und sehr kräftig.
    Langsam nahm Sara die Brille ab und steckte sie in das Ridikül. Sie schob den Arm unter den Mann und legte ihn, vor Peinlichkeit errötend, um seine schlanke Taille. Außer ihrem Vater und Perry Kingswood, ihrem Beinahe-Verlobten, hatte sie nie einen Mann umarmt. Beide fühlten sich ganz anders an. Perry war gut in Form, konnte indes nicht mit diesem starken, großgewachsenen Fremden verglichen werden. Sara mühte sich auf die Füße und torkelte, als der Mann sich an ihr hochzog. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so groß sein würde. Er legte ihr den Arm um die schmalen Schultern, drückte das Taschentuch auf sein Gesicht und stöhnte leise auf.
    »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Sir? Das heißt, können Sie gehen?«
    Er lachte halberstickt. »Zum Teufel, wer sind Sie?«
    Zögernd setzte sie sich in Richtung St. James in Bewegung, und er taumelte neben ihr her. »Miss Sara Fielding«, antwortete sie.
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