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Roulette des Herzens

Roulette des Herzens

Titel: Roulette des Herzens
Autoren: Lisa Kleypas
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gewesen waren. Den Bedeutungsunterschied zwischen ›Buschklepper‹ und ›Bürstenbruder‹, zwei Worte, die sich auf Straßenräuber zu beziehen schienen, hatte sie noch nicht herausgefunden. Nun, sie würde ihn in Erfahrung bringen müssen. Es war wichtig, dass sie die richtigen Ausdrücke verwandte. Ihre ersten beiden Romane ›Mathilda‹ und ›Der Bettler‹ waren ob der genauen Milieuschilderungen gelobt worden. Auch der dritte Roman, der noch keinen Titel hatte, sollte keine Ungenauigkeiten enthalten.
    Sie überlegte, ob die in der Spielhölle verkehrenden Männer imstande sein würde, ihre Fragen zu beantworten. Die meisten Männer sahen sehr verlottert aus, waren unrasiert und ungewaschen. Vielleicht war es unklug, sie überhaupt nach etwas zu fragen. Eine Störung ihres abendlichen Vergnügens war ihnen möglicherweise nicht recht.
    Andererseits musste Sara ihrem Manuskript zuliebe mit ihnen reden. Sie hütete sich immer davor, Menschen nur nach ihrem Äußeren zu beurteilen.
    Plötzlich nahm sie von der Hausecke herüberdringenden Lärm wahr und versuchte zu erkennen, was dort geschah.
    Die Straße lag jedoch im Dunklen. Sie faltete die Zettel, die sie zu einem kleinen Buch geheftet hatte, zusammen, steckte sie in die Handtasche und ging neugierig vorwärts. Eine Flut unfeiner Ausdrücke ließ ihr die Röte in die Wangen steigen. In Greenwood Corners befleißigte sich nur der alte Mr. Dawson einer solchen Ausdrucksweise, und auch nur dann, wenn er beim jährlichen Weihnachtsmarkt zu viel Gewürzpunsch getrunken hatte.
    Drei Gestalten kämpften miteinander. Es hatte den Anschein, dass zwei Angreifer einen Mann zu Boden drückten und auf ihn einprügelten. Sie hörte dumpfe Schläge. Unsicher die Stirn runzelnd, umklammerte sie das Ridikül und beobachtete das Geschehen. Vor Angst klopfte das Herz ihr bis zum Hals. Es würde sehr unklug sein, sich einzumischen. Sie war lediglich als Beobachterin hier, durfte sich nicht einmischen. Das arme Opfer stöhnte jedoch jämmerlich, und unvermittelt sah sie entsetzt ein Messer aufblitzen.
    Man wollte den Angegriffenen ermorden!
    Hastig tastete sie in ihrem Handbeutel nach der Pistole, die sie bei ihren Recherchen stets bei sich trug. Bisher hatte sie die Waffe nie benutzt. Auf einem südwestlich von Greenwood Corners gelegenen Feld hatte sie Schussübungen gemacht. Sie zog die kleine Waffe, lud sie durch und zauderte.
    »He, da!« rief sie laut, um einen gebieterischen Ton bemüht. »Ich bestehe darauf, dass Sie sofort aufhören!«
    Einer der Männer sah zu ihr herüber. Der andere Mann ignorierte ihren Befehl und hob wieder das Messer. Beide betrachteten sie überhaupt nicht als Bedrohung. Sie biss sich auf die Unterlippe, hob zitternd die Pistole und zielte auf den linken Angreifer. Sie konnte niemanden töten. Das war nicht mit ihrem Gewissen vereinbar. Aber vielleicht würde der laute Knall die Männer erschrecken. Sie hielt die Hand ruhig und betätigte den Abzugshahn.
    Das Echo des Knalls ebbte ab. Sie machte die Augen auf, um zu sehen, welchen Erfolg ihre Bemühungen gehabt hatten. Zu ihrem Erstaunen erkannte sie, dass sie unabsichtlich einen der Männer getroffen hatte. Du lieber Himmel, sie hatte ihn in den Hals geschossen. Er kniete auf der Straße, hielt die Hände auf die blutende Wunde und kippte plötzlich ächzend nach vom. Der andere Mann stand wie erstarrt da. Sara konnte sein Gesicht nicht erkennen.
    »Verschwinden Sie!« sagte sie mit vor Angst und Entsetzen bebender Stimme. »Oder … oder ich werde auch auf Sie schießen.
    Wie ein Gespenst verschwand er in der Dunkelheit. Zögernd bewegte Sara sich zu den beiden auf der Straße liegenden Männern. Vor Schreck riss sie den Mund auf und schlug die zitternde Hand davor. Sie hatte einen Menschen getötet. Bestürzt ging sie an ihm vorbei und näherte sich dem Opfer des Überfalls.
    Sein Gesicht war voller Blut. Es rann ihm aus den schwarzen Haaren und durchnässte seine Abendgarderobe. Sara verspürte Übelkeit und überlegte, ob auch für diesen Mann jede Rettung zu spät kommen würde. Sie steckte die Pistole in die Handtasche. Ein eisiges Gefühl erfasste sie. In den fünfundzwanzig Jahren ihres behüteten Lebens hatte sie so etwas noch nie erlebt. Beklommen schaute sie von einem Mann zum anderen. Wenn doch nur eine Stadtwache oder einer der berühmten und gutausgebildeten Konstabler in der Nähe gewesen wären! Sara wartete darauf, dass etwas geschah, dass jemand zum Ort des Geschehens kam.
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