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Roulette des Herzens

Roulette des Herzens

Titel: Roulette des Herzens
Autoren: Lisa Kleypas
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Ärmel, bis sie sauber waren. Dann setzte sie die Brille auf, zog das Notizbuch hervor und notierte sich die ihr ungeläufige Redewendung »die Kurve kratzen«. Später würde sie jemanden fragen, was damit gemeint war.
    Bedächtig legte sie den Mantel ab und warf ihn über die Rücklehne eines Sessels. Sie kam sich vor, als sei sie in einer im Moment leeren Löwenhöhle gefangen, ging zum Fenster und raffte den schweren pflaumenfarbenen Vorhang zur Seite. Sie blickte auf die belebte Straße, die Häuser der Stadt, einer Welt voller geschäftiger Menschen, die mit sich selbst genug zu tun hatten. Langsam wandte sie sich um und betrachtete die vergoldeten Wandspiegel, die kostbaren, mit farbig gemustertem Samt bezogenen Sitzmöbel, die aus Halbedelstein geschnittenen Platten der Tische, auf denen in wertvollen Vasen große Gebinde frischer Treibhausblumen standen.
    Der Raum war schön, aber nicht zu extravagant eingerichtet.
    Sie zog das kleine Cottage vor, in dem sie und ihre betagten Eltern wohnten. An der Rückseite lag der Küchengarten, in dem die vom Vater sorgsam gepflegten Obstbäume wuchsen. Es gab einen kleinen Hof und eine eingezäunte Weide, wo der Eppie gerufene alte Grauschimmel graste. Im Salon mit dem abgenutzten Mobiliar hielten sich ständig Besucher auf, da die Eltern viele Freunde hatten. Beinahe jeder, der in Greenwood Corners lebte, war irgendwann einmal im Haus zu Gast gewesen.
    Dieser geschmackvoll und teuer ausgestattete Raum erinnerte Sara an den Empfangssalon in einem Palast.
    Angelegentlich schaute sie ein farbenprächtiges Bild an, auf dem römische Götter bei einem dekadenten Gelage zu sehen waren. Ein aus dem Nebenzimmer herüberdringendes Stöhnen lenkte sie ab, und dann hörte sie Mr. Craven laut fluchen. Vermutlich nähte der Arzt die quer über das Gesicht verlaufende Wunde. Sara bemühte sich, nicht hinzuhören, doch nach einigen Augenblicken überwog die Neugier.
    Sie begab sich zur Verbindungstür und sah Dr. Hindley sich mit Mr. Worthy über Mr. Craven beugen, der, mit einem weißen Tuch zugedeckt, auf dem Bett lag, nervös die Finger krümmend, als habe er vor, den Doktor von sich zu stoßen.
    »Ich habe Ihnen so viel Laudanum gegeben, Mr. Craven, wie ich verantworten kann«, sagte Dr. Hindley beim Vernähen der Wunde.
    »Das verdammte Zeug wirkt nicht bei mir. Mehr Whisky!
    »Haben Sie noch etwas Geduld, Sir. Ich bin gleich fertig.«
    Wieder ächzte Mr. Craven. »Sie und jeder andere stinkende Quacksalber, Blutsauger, Knochenschuster und Leichenaufschneider soll sich zum Teufel scheren …«
    »Dr. Hindley tut nur sein Bestes«, unterbrach Barry hastig. »Er bemüht sich, Ihnen zu helfen, Sir. Bitte, beschimpfen Sie ihn nicht.«
    »Schon gut«, sagte der Arzt ruhig, ohne die Arbeit zu unterbrechen. »Inzwischen weiß ich, was ich von solchen Ausbrüchen zu halten habe.«
    Einen Moment lang herrschte Stille. Dann sog Mr. Craven scharf den Atem ein. »Verflucht noch mal! Mir ist es gleich, wie ich später aussehe! Lasst mich in Ruhe!« Er machte Anstalten, sich vom Bett zu erheben.
    Sofort betrat Sara das Schlafzimmer. Es war klar, dass Mr. Craven ein aufbrausendes Naturell hatte. Man musste ihn indes dazu bringen, den Arzt gewähren zu lassen, damit die Wunde säuberlich vernäht werden konnte und keine entstellende Narbe zurückblieb.
    »Ich weiß, dass Sie leiden, Mr. Craven«, sagte Sara mitfühlend, »aber Sie müssen stillhalten. Im Augenblick mag es Ihnen gleich sein, wie Sie später aussehen, doch irgendwann würde es Sie stören: Außerdem sollte ein so robuster, kräftiger Mann wie Sie imstande sein, Schmerzen zu ertragen«, fügte sie betont hinzu. »Ich versichere Ihnen, die Qualen, die Sie jetzt durchzustehen haben, sind nichts im Vergleich zu denen, die eine Frau bei den Wehen ertragen muss.«
    Langsam ließ Derek sich auf das Bett zurücksinken. »Woher wissen Sie das?« fragte er spöttisch.
    »Ich war einmal in Greenwood Corners bei einer Stunden dauernden Geburt anwesend«, antwortete Sara. »Meine Freundin hat die schrecklichen Qualen so gut wie klaglos hingenommen.«
    Bittend schaute Barry Miss Fielding an. »Ich glaube, Madam, nebenan sind Sie besser aufgehoben.«
    »Ich will Mr. Craven nur durch ein Gespräch von seinen Schmerzen ablenken. Ist Ihnen das recht, Mr. Craven?
    Oder möchten Sie, dass ich den Raum verlasse?«
    »Habe ich die Wahl? Bleiben Sie! Labern Sie los.«
    »Soll ich Ihnen von Greenwood Corners erzählen?«
    »Nein!« Derek biss
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