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Roulette des Herzens

Roulette des Herzens

Titel: Roulette des Herzens
Autoren: Lisa Kleypas
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wilder ist, Miss Fielding, als Sie sich vorstellen können. Über seine Mutter weiß er lediglich, dass sie in der Tiger Bay, einer Hafenstraße, wo Matrosen und Kriminelle ihr Vergnügen suchen, als Amüsiermädchen gearbeitet hat. Sie hat ihn in einem Kanalschacht zur Welt gebracht und dort im Stich gelassen. Einige andere Flittchen hatten Mitleid mit ihm und kümmerten sich während des ersten Teils seines Lebens in Bordellen und Puffs um ihn.«
    »Oh, Mr. Worthy«, sagte Sara gepresst. »Wie schrecklich, für ein Kind, in einer solchen Umgebung aufzuwachsen!«
    »Mit fünf oder sechs Jahren hat er angefangen, für einen Schornsteinfeger als Kaminjunge zu arbeiten. Als er dafür zu alt geworden war, verlegte er sich aufs Betteln, Stehlen und Handlangerdienste im Hafen. Es gibt einige Jahre, über die er sich gar nicht äußert, als hätte es sie nie gegeben. Ich weiß nicht, was er in dieser Zeit getan hat, und möchte es auch nicht erfahren. Irgendwie hat er sich im Verlauf der Jahre Kenntnisse im Schreiben und Rechnen angeeignet. Bis er in den Zwanzigern war, hatte er sich selbst so viel beigebracht, dass er als Buchmacher tätig sein konnte. Seinen Worten zufolge hat er damals den Gedanken gefasst, eines Tages einen eigenen Club zu haben.«
    »Welch bemerkenswertes Ziel für einen Jungen mit seiner Herkunft!«
    Barry nickte. »Es wäre schon ein großer Erfolg für ihn gewesen, wenn er eine kleine Spielhölle sein Eigen hätte nennen können. Er träumte jedoch davon, einen Club zu besitzen, der derart exklusiv ist, dass nur die einflussreichsten Männer der Welt sich um die Mitgliedschaft hätten bewerben können.«
    »Genau das hat er doch erreicht«, warf Sara in bewunderndem Ton ein.
    »Ja«, stimmte Barry zu. »Von Geburt an war er bettelarm und namenlos. Jetzt ist er reicher als die meisten vornehmen Leute, die in seinem Club verkehren. Niemand ist wirklich bekannt, wie viel ihm gehört – Güter mit großen Ländereien, Mietshäuser, verpachtete Geschäfte, Kunstsammlungen, Yachten, Rennpferde. Es ist tatsächlich sehr erstaunlich! Und er weiß über alle Ausgaben und Einnahmen Bescheid.«
    »Welches Ziel hat er vor Augen? Was möchte er noch erreichen?«
    Barry lächelte schwach. »Das, kann ich Ihnen mit einem Wort beantworten – mehr! Er ist nie zufrieden,« Barry bemerkte, dass Miss Fieldings Tasse leer war, und erkundigte sich, ob er nachschenken solle.
    Sara schüttelte den Kopf. Der Cognac, die Wärme des Feuers und Mr. Worthys ruhige Art zu sprechen hatten sie schläfrig gemacht. »Ich muss jetzt fort.«
    »Ich stelle Ihnen eine Kutsche zur Verfügung.«
    »Nein, nein! Die Goodmans leben nicht weit von hier. Ich werde laufen.«
    »Unsinn!« wandte Barry streng ein. »Eine Dame ist nicht gut beraten, sich irgendwohin zu Fuß zu begeben, erst recht nicht zu dieser nächtlichen Stunde. Der Überfall auf Mr. Craven ist ein Beispiel für die Gefahren, denen Sie ausgesetzt sein würden.« Miss Fielding stand auf, und auch Barry erhob sich. Er wollte noch etwas sagen, unterließ es jedoch und starrte sie eigenartig an. Der größte Teil ihres Haars hatte sich gelöst und war ihr auf die Schultern gefallen. Der rötliche Schein des Feuers zuckte über die kastanienbraunen Locken. Zu einer Zeit, da man exotischere Schönheiten bevorzugte, konnte man Miss Fielding leicht übersehen, da ihr Liebreiz etwas eigenartig Altmodisches an sich hatte.
    »Sie strahlen etwas aus, das beinahe unirdisch ist«, murmelte Barry. »Es ist sehr lange her, dass ich eine Frau gesehen habe, die so unschuldig wirkt.«
    »Unschuldig?« Auflachend schüttelte sie den Kopf. »Oh, Mr. Worthy, ich weiß sehr viel über Sünden und Laster.«
    »Aber Sie wurden nicht davon berührt.«
    »In Greenwood Corners scheint nie etwas zu passieren«, gab sie zu. »Ich schreibe stets über etwas, das andere Leute tun. Manchmal sehne ich mich sehr danach, mehr zu erleben, Abenteuer zu haben und etwas am eigenen Leibe zu spüren.« Sie hielt inne und verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht, was ich rede. Was müssen Sie von mir denken?«
    »Ich glaube, Miss Fielding, dass Sie heute abend angefangen haben, eines der Abenteuer zu erleben, nach denen Sie sich so sehnen.«
    Die Vorstellung, dass es so sein könne, erfreute sie. »Das stimmt.« Sogleich wurde sie ernst. »Was den Mann betrifft, den ich erschossen habe, so hatte ich wirklich nicht vor, ihn zu töten.«
    »Sie haben Mr. Craven davor bewahrt, furchtbar entstellt oder gar
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