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Roth, Philip

Titel: Roth, Philip
Autoren: Nemesis
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Kinder kommen.
    »Hab ich doch gesagt: Wir bringen euch Kinderlähmung. Wir wollen nicht, dass eure Leute leer ausgehen.«
    »Dies Gequatsche von >ihr hier< kannst du dir sparen«, sagte Mr. Cantor scharf und trat rasch einen Schritt vor, so dass sein Gesicht nur Zentimeter von dem des anderen entfernt war. »Ich gebe euch zehn Sekunden, dann seid ihr verschwunden.«
    Der Italiener lächelte. Er lächelte, seit er aus dem Wagen ausgestiegen war. »Und wenn nicht - was machst du dann?«
    »Was ich eben gesagt habe. Ich hole die Polizei, damit die dafür sorgt, dass ihr verschwindet und nicht mehr wiederkommt.«
    Der Anführer spuckte abermals aus, diesmal knapp neben Mr. Cantors Schuh, und Mr. Cantor rief nach dem Jungen, der bei unserem Spiel gerade als Batter dran war und, wie wir alle, zusah, wie Mr. Cantor sich zehn Italienern entgegenstellte: »Jerry, lauf in mein Büro und ruf die Polizei an. Sag ihnen, du rufst in meinem Namen an, und sie sollen so schnell wie möglich kommen.«
    »Und was sollen die dann tun? Mich einsperren?«, fragte der Anführer der Italiener. »Weil ich auf euren kostbaren Bürgersteig gespuckt hab? Gehört dir etwa auch der Bürgersteig, Brillenschlange?«
    Mr. Cantor gab keine Antwort, sondern verharrte wie eine Barriere zwischen den Jungen, die auf dem Platz hinter ihm Baseball gespielt hatten, und den beiden Wagenladungen Italiener, die auf der Straße am Eingang zum Sportplatz standen, als könnten sie gleich ihre Zigaretten fallen lassen und eine Waffe zücken. Doch als Jerry aus Mr. Cantors Büro im Keller zurückkehrte - von wo er, wie angewiesen, die Polizei angerufen hatte -, waren die beiden Wagen und ihre bedrohlichen Insassen verschwunden. Wenige Minuten später fuhr ein Streifenwagen vor, und Mr. Cantor konnte den Polizisten die Kennzeichen der beiden Wagen angeben, die er sich während des Wortwechsels eingeprägt hatte. Erst als die Polizisten wieder verschwunden waren, wagten es die Kinder am Zaun, sich über die Italiener lustig zu machen.
    Wie sich herausstellte, war überall, wo ein Italiener gestanden hatte, Spucke auf dem Boden. Auf mehreren Quadratmetern hatte der Bürgersteig zahllose nasse, schleimige, widerliche Flecken und wirkte wie eine ideale Brutstätte für Krankheiten. Mr. Cantor schickte zwei Jungen in den Keller der Schule, sie sollten zwei Eimer auftreiben, sie mit heißem Wasser und Ammoniak aus dem Putzraum füllen und es in mehreren Schüben auf den Bürgersteig gießen, bis alles gründlich gereinigt war. Die Jungen, die das Wasser über den Bürgersteig gossen, erinnerten ihn daran, wie er als Zehnjähriger geputzt hatte, nachdem er im Gemüsegeschäft seines Großvaters eine Ratte erschlagen hatte.
    »Keine Sorge«, sagte Mr. Cantor zu den Jungen. »Die kommen nicht noch mal. So ist das eben«, sagte er und zitierte einen Lieblingssatz seines Großvaters, »es passiert immer irgendwas Komisches.« Dann wurde das Spiel fortgesetzt. Die Jungen, die von der anderen Seite des zwei Stockwerke hohen Maschendrahtzauns, der den Sportplatz umschloss, zugesehen hatten, waren mächtig beeindruckt von ihrem Mr. Cantor, der sich den Eindringlingen in den Weg gestellt hatte und keinen Zentimeter zurückgewichen war. Seine entschlossene, selbstsichere Art, seine Kraft - die Kraft eines Gewichthebers - und die Tatsache, dass er sich täglich mit Begeisterung an unseren Baseballspielen beteiligte, hatten ihn von dem Tag an, da man ihn zur Ferienaufsicht über den Sportplatz ernannt hatte, zu einem Vorbild für die Jungen gemacht, die regelmäßig dorthin kamen. Nach dem Vorfall mit den Italienern wurde er zum regelrechten Helden, zum verehrten, beschützenden, heldenhaften großen Bruder, besonders für die Jungen, deren große Brüder im Krieg kämpften.
     
    Ein paar Tage später erschienen zwei der Jungen, die bei dem Auftritt der Italiener dagewesen waren, nicht zu unseren üblichen Baseballspielen. Beide waren morgens mit hohem Fieber und steifem Nacken aufgewacht und mussten, nachdem sie in Armen und Beinen eine ausgeprägte Schwäche entwickelt und erhebliche Atemschwierigkeiten bekommen hatten, am Abend des darauffolgenden Tages mit dem Krankenwagen in eine Klinik gebracht werden. Der eine, Herbie Steinmark, war ein dicklicher, unbeholfener, liebenswerter Achtklässler, der wegen seiner Tolpatschigkeit gewöhnlich im Right Field spielen musste und als Letzter schlagen durfte, der andere, Alan Michaels, ebenfalls Achtklässler, gehörte zu den sportlichsten
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