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Rotes Pferd mit schwarzer Mähne

Rotes Pferd mit schwarzer Mähne

Titel: Rotes Pferd mit schwarzer Mähne
Autoren: Walter Farley
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schüttelte den Kopf. «Aber Jimmy fühlte sich doch den ganzen Winter über gesund, das weiß ich! Er hat mir stundenlang vorgeschwärmt, daß er sich von Queens Sohn die Erfüllung aller seiner Träume erhofft! Du hast’s doch selbst mit angehört, Georg! Und du kennst unsere Pläne! Er wollte die Stute auf die Farm meines Onkels schicken; dort sollte sie fohlen, und ich sollte beide betreuen in diesem Sommer, derweilen du und Jimmy mit Symbol die alljährlichen Trabrennen auf den Bahnen der kleinen Provinzstädte mitmachen würdet. So war es festgelegt! Mein Onkel Wilmer hat viel Weideland, ein idealer Aufenthalt für eine Stute mit ihrem Kind! Ich kann nicht verstehen, weshalb...»
    «Das wirst du erst verstehen können, wenn du selbst älter wirst», entgegnete Georg sanft und nahm seine abgenutzte Mütze ab, um seinen kahlen Kopf von der Sonne, die aus den trüben Morgenwolken hervorgebrochen war, wärmen zu lassen.
    «Als du nun im vergangenen Winter hier auftauchtest und Jimmy dich liebgewann, hoffte ich, er würde seine trüben Gedanken überwinden. Er freute sich an deinem Interesse für Pferde, obwohl du damals noch nicht Schritt von Trab unterscheiden konntest. Aber du stelltest unentwegt Fragen, und das gefiel ihm. Er belehrte dich gern. Mag sein, er fand sich selbst als jungen Burschen in dir wieder; er ist ja auch in Coronet aufgewachsen.»
    Georg hielt erneut inne und kaute gedankenverloren seinen Tabak. «Ich habe einem Gespräch zugehört, und da merkte ich, wie sehr Jimmy dich ins Herz geschlossen hatte, sonst hätte er dir Queen niemals anvertraut. Ich habe mich darüber gefreut, wie du Jimmy aufgemuntert hast, und ich glaubte, alles würde nun weitergehen wie all die Jahre. Doch in der vorigen Woche hatte Jimmy ein paar schlechte Nächte. Er muß große Schmerzen gelitten haben, denn er sah sehr mitgenommen aus, und ich vermute, daß das der Anfang vom Ende des Jimmy Creech als berufsmäßigem Trabrennfahrer gewesen ist. Wenige Tage später tauchte der Manager von der Butler-Stock-Farm auf, um sich nach Zuchtstuten umzusehen. Bei dieser Gelegenheit sah er Queen und fragte Jimmy, ob er sie verkaufen wolle. Er hat Jimmy diese Frage schon öfter gestellt während der letzten drei Jahre, aber Jimmy hatte bis jetzt nie hingehört. Diesmal war es anders. Ich hörte, wie Jimmy ihm antwortete: . Und das paßte eigentlich gar nicht zu Jimmy, denn in den vielen Jahren, die ich ihn kenne, ist ihm niemals ein Pferd, das er liebte, für irgendeinen Preis feil gewesen.»
    «Wenn er sie wirklich lieb hätte, würde er sie nicht verkaufen», sagte Tom schroff. «Warum tut er es, Georg, was ist die Wahrheit?»
    «Er hat einen sehr hohen Preis verlangt, Tom. Mit dem Geld kann er diesen Sommer einen anderen Traber kaufen, vielleicht zwei oder gar drei.»
    «Er hat doch Symbol!» antwortete Tom schnell.
    «Symbol ist zu alt... genau wie Jimmy und ich», murmelte Georg, «er sollte mit Laufen aufhören. Jimmy kaufte ihn zufällig vor ein paar Jahren; es war das einzige Pferd, das er bezahlen konnte. Jimmy besitzt nämlich nicht mehr viel. Er schlägt sich gerade so durch. Ich vermute, daß Jimmy Geld benötigt, um sich sofort einen guten Traber kaufen zu können. Er befürchtet, nicht mehr viele Jahre vor sich zu haben, deshalb möchte er die Zeit, die ihm bleibt, nutzen.»
    Der Junge trat unbehaglich von einem Fuß auf den andern. Dann riß er unvermittelt die Türen weit auf, damit Sonne hereinkam. «Hier ist es ja wie in einem Leichenhaus!» rief er ärgerlich, «draußen ist Sommer, Georg, das hast du wohl ganz vergessen!»
    Er ging in die Geschirrkammer, seine Augen blitzten, seine Schritte waren eilig. Nach einem Seitenblick auf die abgenutzten Geschirre öffnete er auch hier weit die Fenster. Dann rannte er den Stallgang entlang, um die Tür am anderen Ende ebenfalls aufzustoßen. Die Morgensonne flutete herein.

    Tom stand einen Augenblick im Türrahmen und starrte auf die vor ihm liegende Bahn. Zwei Traber kamen vorbei, die Räder ihrer Sulkys glänzten in der Sonne. Dann wandte er sich um, ging auf die Box an der linken Seite des Stalles zu, öffnete die Tür und trat ein. Mit sanfter Stimme sagte er: «Guten Tag, meine Schönste!» Die tragende Stute kam zutraulich heran und rieb ihr weiches Maul an seiner Brust. Und während seine Hand die weiße Blesse streichelte, die von der Stirn bis zur Nase reichte, suchte das Tier in den Taschen seines
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