Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotes Pferd mit schwarzer Mähne

Rotes Pferd mit schwarzer Mähne

Titel: Rotes Pferd mit schwarzer Mähne
Autoren: Walter Farley
Vom Netzwerk:
packten zwei Körbe voll und schritten zum Haus. In der großen alten Bauernküche angekommen, schichteten sie die Scheite neben dem Herd auf. Die Tante deckte den Tisch, und Tom fragte sie, ob es in der Stadt einen guten Tierarzt gäbe. Ihre blauen Augen blickten so kalt wie Stahl über den Rand ihrer Brille. «Einen Tierarzt? Was willst du denn damit, Tom?»
    Der Junge blickte verlegen zu Boden. «Für Queen.»
    «Ist sie krank?»
    «Nein, das nicht. Aber ihr Fohlen wird nächste Woche zur Welt kommen.»
    «Lieber Himmel, mein Junge! Da benötigst du doch keinen Tierarzt! Wir hatten niemals einen, und alle unsere Tiere bekamen Junge! Spare dein Geld, Tom! Du brauchst doch keinen Tierarzt, da müßte ja etwas ganz verquer gehen!»
    «Gerade das ist es, Tante Emma!» erwiderte Tom fest. «Ich will nicht warten, bis etwas verkehrt läuft, ich will für jeden Notfall gerüstet sein.»
    «Es ist doch keine ungewöhnliche Sache, wenn eine Stute ein Fohlen bekommt.» Die Tante ging zum Herd hinüber. «Geh und wasch dich, ich stelle gleich das Essen auf den Tisch.» Damit drehte sie sich um, und als sie ihren Mann nicht in der Küche erblickte, rief sie: «Wilmer! Wo steckt er denn bloß? Tom, hole ihn, bitte!» Ihre Augen trafen den Neffen, und sie sagte freundlich: «Ängstige dich bloß nicht um die Stute! Sie ist doch nicht die erste auf der Welt, die ein Fohlen bekommt!»
    Aber Tom entschloß sich, einen Arzt zu suchen.

3 Tage voller Sorge und Freude

    Am frühen Montagnachmittag stand Tom im Sprechzimmer Dr. Pendergasts und hörte ihm aufmerksam zu, als er ihm erklärte, daß es ihm unmöglich wäre, sich bei einer Stute aufzuhalten, wenn sie ihr Fohlen bekam.
    Des Arztes tiefe Stimme dröhnte fort, während Tom seinem Blick standhielt in der Hoffnung, er würde seine Meinung doch noch ändern. Er las Sympathie und Freundlichkeit in den ernsten Augen, aber der Arzt sagte dasselbe, was Tom bereits von den beiden anderen Tierärzten der Stadt gehört hatte.
    «Bei Stuten ist die Tragzeit weitaus unberechenbarer als bei jedem anderen Haustier. Durchschnittlich bringt eine Stute ihr Fohlen nach elf Monaten zur Welt, aber ich habe es auch erlebt, daß es zwölf Monate gedauert hat.» Der Arzt lächelte freundlich, als er fortfuhr: «Natürlich mußt du deine Stute ständig beobachten. Ich bin sicher, daß du es tust.»
    «Ich weiß, daß es diese Woche soweit ist», sagte Tom hartnäckig, «ich habe die Beine des Fohlens bereits gefühlt.»
    Der Arzt lächelte wieder und klopfte Tom auf die Schulter. «Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Ich habe Stuten gekannt, die haben während der Arbeit auf dem Feld gefohlt, ja, einige haben kurz danach gleich wieder weitergearbeitet!»
    «Aber es ist kein Arbeitspferd!» antwortete Tom ein wenig ärgerlich, «es ist ein sehr wertvolles Tier, Herr Doktor! Ich darf wirklich nichts versäumen!»
    Der Tierarzt ging zurück an seinen Schreibtisch. «Es tut mir leid, aber alles, was ich dir versprechen kann, ist, so bald wie möglich nach der Geburt zu kommen, falls du mich brauchen solltest.»
    «Und wenn ich Sie für die ganze Woche bezahlte, würden Sie dann bei ihr bleiben?» fragte Tom zögernd.
    «Es handelt sich hier nicht um Geld», erwiderte der Arzt brüsk. «Es wäre einfach unfair all den Farmern gegenüber, die mich wirklich brauchen.» Damit griff er nach dem Telefonhörer, und Tom verstand, daß er nicht länger für ihn Zeit hatte.
    Der Arzt riet ihm noch: «Achte darauf, daß deine Stute genügend Bewegung hat, und laß sie nachts nicht unbeobachtet. Die Geburt erfolgt gewöhnlich nachts, zu den unmöglichsten Zeiten, und da du so sicher bist, daß es in dieser Woche sein wird...»
    «Ich bin sicher, ganz sicher!» antwortete Tom.
    Während des ganzen Rückwegs zur Farm grübelte Tom. Jeder sagte, er solle sich keine Sorgen machen, es wäre nicht nötig. Selbst Jimmy hatte es betont. Aber wie kann ich unbesorgt sein, wenn so viel auf dem Spiel steht? Vielleicht bin ich für so etwas einfach nicht geschaffen? Alle anderen nehmen die Sache so beiläufig. Noch vor ein paar Wochen in Coronet schien es mir auch nicht so schwer, doch jetzt ist es ganz anders. Jetzt trage ich die Verantwortung! Ich möchte einen Tierarzt zur Seite haben, um nicht allein auf mich gestellt zu sein. Ich habe wenig Selbstvertrauen, das muß ich eingestehen.
    Immerhin ist ja Onkel Wilmer da, dachte er weiter. Zwar versteht er sich nicht auf so edle Pferde wie Queen eines ist. Er hat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher