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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot
Autoren: Bernhard Salomon
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des Toten befreit. »Wir müssen die Polizei verständigen«, sagte Sarah.
    »Wer wird einem wie mir glauben, dass er rein zufällig im Morgengrauen an einem Tatort wie diesem spazieren gegangen ist?«
    »Einem wie dir …?« Sarahs Stimme klang scharf, beinahe strafend.
    »Ich war …«
    »Du bist …«, unterbrach ihn Sarah. »Du bist ein Mensch, der weiß, was er will. Ein Wirtschaftsredakteur bei einem der renommierten Magazine dieses Landes. So steht es auf deinem Presseausweis und auf deiner Visitenkarte. Alles andere liegt hinter dir.«
    Albin nickte verkrampft.
    »Entscheidend ist, dass du den Mann nicht umgebracht hast. Diese Sache hat nichts mit dir zu tun.«
    »Ich habe auch damals nicht …« Diesmal unterbrach sich Albin selbst. Er merkte, dass er feige und weinerlich klang.
    »Jetzt ist nicht der Moment, um in der Vergangenheit zu wühlen«, sagte Sarah. »Wir werden keine Probleme haben.«
    Sarah jedenfalls nicht, dachte Albin. Ihr Vater errichtete Einkaufszentren, bevölkerte sie mit Mietern und verkaufte sie mit fetten Renditen an internationale Investmentfonds. Er war Funktionär der Industriellenvereinigung, saß in vierzehn Aufsichtsräten und hatte eine Gastprofessur an der Wiener Wirtschaftsuniversität inne. Sarahs Eltern gehörten eindeutig zu den oberen Zehntausend der Stadt. Sarah würde von den Behörden verschont bleiben.
    Ihn, Albin Fischer, würden sie nach Strich und Faden in die Mangel nehmen. Das war so sicher wie das Amen im Gebet. Er war nicht nur ein in staatlichen Anstalten sozialisiertes Findelkind: Wenn Sarah das im Moment auch nicht in Betracht ziehen wollte, wies seine Vergangenheit trotzdem dunkle Flecken auf. Er würde seinen schönen Presseausweis nicht mehr lange haben, wenn das bei polizeilichen Ermittlungen gegen ihn in der Redaktion ruchbar wurde.
    »Was sollen wir der Polizei sagen?«, fragte er Sarah.
    Sie zuckte die Schultern. »Was wir gesehen haben.«
    »Was haben wir gesehen?«
    »Einen dunklen Wagen, der eilig davonfuhr, und einen Toten in Schwarz.«
    »Hast du die Marke des Wagens erkannt?«
    »Es war ein Kombi.«
    »Es könnte ein Volvo oder ein großer Ford gewesen sein«, versuchte sich Albin zu erinnern.
    »Wir sagen, was wir wissen, und fertig.«
    »Vielleicht haben wir schon Spuren verwischt.« Albin suchte in der Wiese nach Reifenabdrücken. Er trat hinter der schützenden Mauer hervor und blickte noch einmal zu dem Hochsitz hinüber. Schließlich stieg er in den Citroën, um ihn aus dem Kiesbett zu fahren. Das Auto stieß ein entsetzliches Krächzen aus, als wolle es ihn vor etwas warnen. Albin hatte bei laufendem Motor am Zündschlüssel gedreht.
    Er fuhr den Wagen durch die Lücke in der Absperrung zurück zum Parkplatz. Dort stellte er diesmal den Motor ab, obwohl es hier für sie nichts mehr zu tun gab.
    Sarah stand noch auf dem Kies. Sie betrachtete etwas am Boden. Die Leiche baumelte als düstere Drohung hinter ihr in der Luft. Albin trat zu ihr.
    »Da liegt ein Ring«, sagte sie.
    »Wir rühren lieber nichts an.«
    Albin sah den Ring auch. Er lag genau vor Sarahs Füßen. Er war aus Gold und mit sechs grünen Steinen besetzt. Albin hatte Modeklunker schon immer schwer von echtem Geschmeide unterscheiden können. Der Ring am Boden kam ihm aber wertvoll vor. Wahrscheinlich waren die Steine echte Smaragde. Kunststeine wären wohl größer gewesen. Er kratzte sich am Kopf. »Wer lässt nach so einer aufwendigen Hinrichtung irrtümlich einen Ring liegen?«
    »So plump legt auch niemand falsche Fährten.«
    »Der Mörder könnte uns kommen gesehen haben und nervös geworden sein.«
    »Du hörst dich schon wie ein waschechter Kriminalist an. Du musst etwas über die Sache schreiben.«
    »Meinst du?«
    »Dieser Ring gehört nicht dem Toten«, sagte Sarah. »Damit könntest du anfangen.«
    »Wieso bist du dir da so sicher?«
    »Sieh doch, wie fein er gearbeitet ist. Es ist ein Frauenring.«
    »Fällt dir sonst noch etwas auf?«
    »Du hättest den Mann zu Lebzeiten nicht gemocht.«
    Albin war an solche rätselhaften Äußerungen Sarahs gewöhnt. »Wie kommst du darauf?«
    »Nur so ein Gefühl.«
    Sie fuhren los. Ihre Handys hatten sie nicht dabei. Also mussten sie zu einem öffentlichen Telefon. Unterwegs dachte Albin fieberhaft nach, wie sie sich doch noch aus der Affäre ziehen könnten. Die Chancen standen schlecht. Vielleicht hatten sie keine Spuren verwischt, hinterlassen hatten sie bestimmt welche. Wenn sie sich nicht selbst meldeten, würden sie in
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