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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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zwanzig Zentimeter kürzer als ich und hat so in diesen niedrigen Räumen genau das Höhlenfeeling, das er sucht.
    Doch von diesem Hans war nichts zu sehen. Die Küche, die ich als Erstes berat, war sauber aufgeräumt, und dasselbe galt für die übrigen Räume. Ich war froh zu sehen, dass Hans offenbar gut für sich sorgte und sich nicht vernachlässigte. Meine Beunruhigung jedoch, weil sich nirgendwo eine Spur von ihm fand, wuchs, zumal ich auf seinem Schreibtisch den aufgeklappten Laptop fand. Darauf lief nach meinem ersten Tastendruck ein ziemlich psychedelischer Bildschirmschoner in bunten Farben, was gut zu Hans passte. Ich tippte ein zweites Mal auf die Leertaste. Der Bildschirmschoner verschwand, sichtbar wurde stattdessen der digitale Terminkalender von Hans. Dort gab es in der aktuellen Woche einen einzigen Eintrag: Dienstag, circa vierzehn Uhr, Franz Eugster, Buchprojekt.
    Nun, ich war da, Dienstag war heute auch, und ein Blick auf die Uhr meines iPhones, die ich als einzigen Zeitmesser benutze, zeigte vierzehn Uhr vier. Einen Moment lang hatte ich schon befürchtet, in meinem Kopf sei wegen dieses Termins etwas durcheinandergeraten, gleichsam als Vorbote unliebsamer Alterserscheinungen. Jetzt war ich beruhigt, der Termin stimmte.
    Und auch das Buchprojekt, das Hans als Grund unseres Treffens in seinen Terminkalender eingetragen hatte, gibt es tatsächlich. Es ist identisch mit jenem, das ich Adelina vorhin kurz angedeutet hatte, und trägt den Arbeitstitel «Appenzeller Räusche».
    Deswegen waren Hans und ich überhaupt zusammengekommen. Meine Zugehörigkeit zum Bewahrungskomitee für das Geheimrezept der Kräutersulz für den Appenzeller Käse hatte mir auch engere Kontakte zu den Verantwortlichen der Produzenten von Appenzeller Alpenbitter gebracht – zwischen den beiden Firmen bestehen enge Kontakte, die nicht einmal geheim sind. Meine Kontaktperson bei Alpenbitter hatte mir eines Tages erzählt, ein gewisser Hans Bärlocher sei zu ihm mit einem Buchprojekt gekommen. Inspiriert von der Ankündigung einer Ausstellung im Antikenmuseum Basel, genauer von der Ausstellung «Sex, Drugs und Leierspiel. Rausch und Ekstase in der Antike», hätte er vorgeschlagen, dem Thema im Appenzellerland nachzugehen und daraus ein Buch zu machen.
    Die Verantwortlichen von Alpenbitter waren zunächst skeptisch, vor allem, weil das Wort «Drogen» vorkam. Man hatte sich dann auf das unverfänglichere Wort «Rausch» geeinigt, und Appenzeller Alpenbitter war sogar bereit, einen kleinen Projektierungskredit für erste Abklärungen zu genehmigen, sofern ich für Gegenwart und Zukunft des Themas zuständig sei und Hans für die Vergangenheit.
    Hans ist, das heisst nun leider war, nämlich studierter Historiker. Allerdings hatte er sich bald nach seinem Studium selbst aus der akademischen Laufbahn herauskatapultiert, und auch eine Anstellung als Hofhistoriker eines Grosskonzerns kam für ihn nie in Frage. Stattdessen hatte er sich selbstständig gemacht und im Laufe der Jahre diverse historische Projekte betreut, die er sich meistens selbst ausgedacht und dann – mühsam genug – von Sponsoren hatte finanzieren lassen. Das hatte er zwei Jahrzehnte lang, Hans war zum Zeitpunkt seines Ablebens Mitte vierzig, ziemlich erfolgreich betrieben. In einschlägigen Kreisen hatte er einen gewissen Bekanntheitsgrad wegen seines Talents, geschichtliche Themen so zu präsentieren, dass sie auch Kinder und Jugendliche faszinierten. Das hatte mir, als ich es erfuhr, imponiert. Ich glaube wie Hans an den Grundsatz, es gebe keine Zukunft ohne Herkunft, eine Ahnung von Geschichte gehöre also zur geistigen Grundausstattung des Menschen.
    Vor einiger Zeit hat ihn dann seine langjährige grosse Liebe verlassen, und das ausgerechnet wegen eines geistlosen Schnösels von Banker, wie Hans ihn bezeichnet hatte. Das hatte Hans in seine depressive Phase gestürzt, aus der er sich in seinem Häuschen selbst befreien wollte. Natürlich hatte ihn dieser seelische Sumpf auch viel seiner kreativen Kräfte gekostet, sodass er einige Monate lang nur noch das Nötigste gearbeitet hatte.
    Zwar munkelte man, eine solche Tätigkeit könne gar nicht genug einbringen, um selbst bescheidene finanzielle Bedürfnisse zu befriedigen, er müsse folglich noch andere Einnahmequellen haben. Doch da Hans sich bei Fragen nach seinen pekuniären Verhältnissen ausgesprochen bockig gezeigt hatte, stellte man solches Fragen schnell ein und gab sich mit der Haltung zufrieden,
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