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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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Recherchierkünste, die sich manchmal am Rand der Legalität bewegten, hätte ich auch nie erfahren, dass das polnische Käsesyndikat seine Pläne, Appenzeller Käse zu fälschen, mangels Rentabilitätsaussichten aufgegeben hatte. Das wiederum hatte mich von einem starken Gefühl der Bedrohung befreit. Gegenseitig geholfen hatten wir uns auf jeden Fall bei diesem Fall.
    Es isch schön uf den Alpe
    U glych geit dr Summer verby
    Dr Bärgwald wird farbig
    Dr erscht Schnee chunnt scho gly.
    (Es ist schön auf der Alp,
    und doch geht der Sommer vorbei.
    Der Bergwald wird farbig,
    der erste Schnee kommt schon bald.)
    Ja, der Sommer war definitiv vorbei, auch wenn der Blick auf das Säntisgebirge nach wie vor beglückend war. Sehr viele bunte Farben prägten die einheimischen Wälder zwar nicht, weil sie vorwiegend von immergrünen Nadelbäumen gebildet werden. Und doch war der Herbst nicht zu übersehen. Der erste Schnee war sogar schon da gewesen, aber ebenso schnell verschwunden, wie er gekommen war. Was für einen Kontrast bildet diese Spätherbst-Melancholie zur fröhlichen Aufbruchsstimmung dieses ungewöhnlich warmen und schönen Frühlings!
    Drumm nimm mi i Arm
    Als wär’s zum allerletschte Mal
    Andalusie isch wyt
    Und i muess abe i ds Tal.
    (Darum nimm mich in den Arm,
    als wäre es zum allerletzten Mal.
    Andalusien liegt weit weg,
    und ich muss runter ins Tal.)
    Nun, nicht ich, sondern sie hatte damals das Gefühl, ins Tal runterzumüssen, und zwar nicht nach Andalusien, sondern in ihre alte Heimat Polen. Doch mein Schmerz darüber, dass unsere Umarmung im Frühling vielleicht wirklich die allerletzte gewesen sein könnte, blieb unvermindert stark.
    Es isch wie’s isch u wär weiss,
    Öb mir üs wieder xeh
    Vaya con Dios, Adelina, Adelina Ade!
    (Es ist, wie es ist, und wer weiss,
    ob wir uns wiedersehen.
    Gehe mit Gott, Adelina, Adelina ade!)
    Adelina war weg. Eine hübsche Pointe der Geschichte war, dass Adelina damals nicht unbedingt mit Gott, aber zu Gott ging: Sie wollte sich einige Zeit in ein polnisches Kloster zurückziehen, in dem ihre Tante Nonne war, um zu sich zu finden und ihren weiteren Lebensweg klarer erkennen zu können.
    Das letzte «Adelina» war gesungen. Die anfängliche Gitarre und die später hinzugekommene Orgel hatten sich zum letzten Mal zu jener heiteren Melancholie verbunden, die für mich den Reiz der Ballade ausmachte, und verklangen jetzt im Schlussakkord. In genau diesem Moment – ich schwöre es – klingelte mein iPhone.
    Da nicht viele Leute meine Handynummer haben und noch weniger mich zu solch später Stunde anrufen, erriet ich leicht, wer es war. Tatsächlich: Adelina. Wir hatten seit unserem gemeinsamen Fall immer mal wieder telefoniert, meist zu solch nachtschlafender Stunde, uns aber seither nicht mehr leibhaftig getroffen. Umso erfreuter war ich zu hören, dass sie unterwegs zu mir war und am nächsten Morgen ziemlich früh bei mir oben auftauchen würde. Ich bereitete sie darauf vor, dass ich derzeit nicht besonders gut drauf sei, doch sie meinte nur, dem werde sie sicher abhelfen können.

Raureif
    Adelina hatte den erstaunten Blick bemerkt, mit dem ich die Grösse ihres Rucksacks taxierte, und fiel gleich mit der Tür ins Haus, indem sie fragte, ob sie einige Tage bei mir bleiben könne. Ich stimmte freudig zu, die Erinnerung an die gemeinsamen Tage im vergangenen Frühjahr war in meinem Gedächtnis als äusserst positive Erfahrung abgespeichert. Und ich liess es mir nicht nehmen, ihren Rucksack selbst zu schultern. Das gehört für mich ebenso wie meine Bereitschaft, sie an der Postauto-Haltestelle im Kaien eigenhändig in Empfang zu nehmen, zum selbstverständlichen Repertoire eines Gentlemans der alten Schule, einer Gattung, für die ich den Ehrgeiz habe, zu beweisen, dass sie auch im Appenzellerland noch nicht ganz ausgestorben ist.
    Wohl hatte mich das Abholen ein frühes Aufstehen gekostet, doch diese kleine Unbequemlichkeit wurde mehr als wettgemacht durch die freudigen Empfindungen, die ich beim Anblick Adelinas fühlte. Sie war etwas runder geworden, was ihr ausgezeichnet stand, und sie wirkte auf mich gesund und munter. Dieser Eindruck bestätigte sich im ersten steilen Aufstieg auf einem schmalen Graspfad, den sie spielend bewältigte, ohne ausser Atem zu geraten, obwohl sie mir dabei eine Kurzversion ihres letzten halben Jahres erzählte.
    Das meiste kannte ich schon aus unseren nächtlichen Telefonaten, doch ihre Zusammenfassung machte noch einmal
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