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Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05

Titel: Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
Autoren: Das Vermächtnis des Kriegers
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Exerzierplatz zur Nordwestecke - viel zu kurz, als daß Ellegon sich die Mühe gemacht hätte, die Flügel auszubreiten und sich in die Luft zu erheben, er tappte hinter Jason her, der mit großen Schritten voranging.
    Normale Menschen schlagen meistens einen großen Bogen um Zauberer in der Ausübung ihres Berufs - das ist nur vernünftig. Andrea Cullinanes Werkstatt befand sich weit abseits von allen anderen Gebäuden innerhalb der Burgmauern. Wären nicht die Bedenken wegen ihrer Sicherheit gewesen, hätten alle Beteiligten sich erheblich wohler gefühlt, sie jenseits
    des inneren Schutzwalls zu wissen, oder lieber noch in der Ortschaft Biemestren selbst.
    Doch Sicherheit ging vor: also war Mutters Werkstatt, solange Jason zurückdenken konnte, in einem niedrigen Steinhaus in der Nordwestecke des Innenhofs untergebracht.
    Jason klopfte an die Tür. Keine Antwort. »Mutter, ich bin's, Jason.«
    Nichts.
    *Sie ist drinnen. Soll ich es versuchen?*
    Nein. Das muß ich selber tun.
    Seine Hand zitterte, als er den Riegel berührte.
    Schon sehr früh hatte man ihm eingeschärft, Mutter nicht zu stören, wenn sie arbeitete. Es war eine der wenigen Lektionen, bei denen er mit dem Rohrstock Bekanntschaft gemacht hatte; Mutter verabscheute es beinahe ebensosehr, ihn zu schlagen, wie er es haßte, geschlagen zu werden. Sie pflegte zu sagen, ›Störe den Magier nicht‹ sei das Diesseitige Äquivalent von ›Nicht mit dem Fahrer sprechen‹, was immer das heißen mochte.
    Das war das Schwierige im Umgang mit den Anderseitern wie seinen Eltern und Walter Slowotski und Doria Perlstein - sie benutzten immer Ausdrücke, die sonst niemand verstand. Es ging dabei nicht nur um diese rätselhaften Anspielungen auf Autos und Flugzeuge und Mikrowelle (a propos Mikrowelle - was bitteschön hatte man sich darunter vorzustellen? Vielleicht die Abschiedsgeste eines Zwergs von der Anderen Seite?), oft war ihr Bezugssystem so völlig verschieden von dem normaler Menschen.
    Doch wenn er auch die Anspielung nicht verstand, hatte er die Lektion so früh und so gründlich gelernt,
    daß sie fest in seinem Unterbewußtsein verankert war. Er wußte, daß sie nicht mit etwas wirklich Gefährlichem beschäftigt war, oder Ellegon hätte ihn gewarnt.
    *Genauso ist es.*
    Trotzdem, seine Hand zitterte. Indem er seine verräterischen Finger verfluchte, hob Jason den Riegel, drückte die schwere Eichentür behutsam nach innen, schlüpfte hindurch und ließ das Schloß wieder einschnappen.
    »Mutter?«
    Unwillkürlich schnüffelte er. Im Innern der Steinhütte war es dunkel und feucht, die Luft mit seltsamen und vertrauten Gerüchen geschwängert. Einen davon vermochte er nicht einzuordnen, obwohl er den schweren, moschusartigen Duft von Marrhymh und das beißende Aroma verbrannter Pfefferkörner erkannte. Insgesamt erinnerte ihn der Geruch an schalen Schweiß.
    Das einzige Licht in dem Raum sickerte durch einen Spalt in dem Winkel zwischen Decke und Wand, und in der unzureichenden Beleuchtung war nichts weiter zu erkennen als der schmale Eingang, wo Jason stand und vor ihm dichte Reihen schwarzer Vorhänge, die alles andere verbargen.
    »Mutter?«
    Er schob sich durch den ersten Vorhang, den zweiten, den dritten. Sie fühlten sich trocken an, doch das Material klebte feucht an seinem Gesicht. Schaudernd ging er weiter.
    »Mutter?«
    Ganz schwach schimmerte das Licht einer Lampe durch den letzten Vorhang. Nachdem er hindurchgetreten war, sah er seine Mutter, die gebückt vor ihrer
    Werkbank saß und mit ruckhaften, beinahe unkontrollierten Bewegungen Notizen machte, während über ihrem Kopf eine Öllampe blakte. Rechts von ihr ruhte eine Kristallkugel in den Windungen einer Messingschlange, deren auf den Nordpol gespießter Kopf mit trägem Desinteresse die Welt beschaute. Zu ihrer Rechten stand die nur in groben Umrissen ausgeführte Tonfigur eines Mannes mit vor der Brust verschränkten Armen. An der linken Hand waren von den drei letzten Fingern nur Stümpfe übrig.
    Die Figur war noch nicht getrocknet; dahinter lagen ein Klumpen Ton und mehrere kleine Messer, kurze Stöcke mit Drahtschlingen und andere Töpferutensilien, die er nicht gleich identifizieren konnte.
    »Mutter«, sagte er. »Hör auf damit.«
    Sie gab keine Antwort, sondern schrieb weiter.
    »Mutter«, wiederholte er. »Hör auf damit.«
    Nichts.
    »Ich zähle jetzt bis zehn, und dann nehme ich dir die Statue weg.«
    Sie schüttelte so heftig den Kopf, daß ihr das strähnige schwarze Haar
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