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Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05

Titel: Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
Autoren: Das Vermächtnis des Kriegers
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ins Gesicht flog. »Nein. Das letzte Mal bin ich näher herangekommen. Vielleicht gelingt ...«
    Das Leuchten des Kristalls verstärkte sich.
    »Sieh doch!«
    »Das hat gar nichts zu bedeuten, solange du ihn nicht sehen kannst, und das kannst du nicht, weil er tot ist.«
    »Keiner von uns hat seine Leiche gesehen.« Der Kristall leuchtete heller, heller ...
    ... und erlosch. Nur mehr das Flackern der Öllampe erhellte den Raum.
    »Nein!« Sie schlug mit der Faust auf den Tisch und drehte sich zu ihm herum.
    Er mußte mit Gewalt ein Schaudern unterdrücken. Ihre Augen waren rot, die Lider von Tränen und Schlafmangel geschwollen, die Wangen eingefallen.
    »Mutsch ...« Er nahm ihre Hände in die seinen und erschrak darüber, mit welch schwächlichem Ruck sie sich von ihm freimachte. »Bitte. Wir ... wir alle ... haben die Explosion gesehen. Walter und Ahira sind zurückgeblieben. Er konnte das Inferno nicht überleben, aber wenn das Unmögliche wahr geworden wäre, dann hätten die beiden ihn längst hierhergebracht.«
    Walter Slowotski und der Zwerg stellten immer noch eine offene Frage dar. Es gab keine Spur von ihnen, keine Nachricht. Während es noch zu früh war, um sie in Holtun-Bieme zu erwarten, sollten sie inzwischen Ehvenor erreicht haben - falls sie mit einem Melawi-Einbaum unterwegs waren -, oder über die Berge gekommen sein - falls sie den Weg über Land gewählt hatten.
    Was war aus ihnen geworden? So lautete die aktuelle Frage. Vater war tot.
    »Und doch werde ich es weiter versuchen. Bis ich seinen Leichnam finde, oder bis ich ihn sehe.«
    Aber er wurde in Fetzen gerissen, dachte er. Doch das konnte er nicht aussprechen, nicht vor seiner Mutter, seines Vaters Witwe. »Dein Zauber vermag nicht zu finden ... was von ihm übrig ist. Vernichte die Figur, Mutter, dann geh und zieh dich um und wasch dich. Heute abend findet eine Beratung statt und du wirst ...« Er verstummte.
    Du wirst dich bemühen müssen, wie ein lebender Mensch auszusehen. Das hatte er sagen wollen, aber er konnte es nicht. Manchmal zählt im Leben das Ungesagte mehr.
    »Mutter ... du weißt, daß er tot ist. Es gibt einen unwiderlegbaren Beweis dafür - ganz abgesehen von dem, was wir mit eigenen Augen gesehen haben.«
    »Der wäre?« Ihre Stimme, normalerweise ein weicher Alt, klang rauh und gebrochen.
    »Vater liebte dich. Wäre er noch am Leben, gäbe es nichts, was ihn von dir fernhalten könnte.«
    Ihre Unterlippe bebte. »Er ließ mir nicht einmal eine letzte Botschaft überbringen.«
    »Das brauchte er nicht - so hat er es Tennetty erklärt.« Jasons Augen füllten sich mit Tränen. »Was hätte er uns denn auftragen sollen, dir zu sagen? Daß er dich liebte? Mutter, hast du das nicht gewußt?«
    Mit lautlos zuckenden Schultern wandte sie sich ab.
    *Bitte. Jason hat recht. Wir müssen weiterleben, Andrea. Wir alle.*
    Nach einer Weile hörte sie auf zu weinen, und ihr Atem wurde ruhiger. Sie drehte sich herum und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. »Kann ich es nicht noch einmal versuchen?«
    »Nein. Die Arbeit wartet, und du mußt dich ein wenig ...«
    Für einen kurzen Augenblick kam ihr altes Lächeln zum Vorschein. »Herrichten? Damit ich nicht wie eine alte Hexe aussehe?« Sie zuckte die Schultern. »Nichts leichter als das.«
    Nachdem sie ihn ein Stück zur Seite geschoben hatte, streckte sie die Hände aus und murmelte Worte, die nur einmal gesprochen werden durften, um sogleich auf ewig vergessen zu sein.
    Sie veränderte sich.
    Das tränenfeuchte Gesicht trocknete, die eingefal-
    lenen Wangen rundeten sich, vor seinen Augen straffte sich das Fleisch. Ihr strähniges Haar verlor den fettigen Glanz und bekam Fülle, während sie sich aufrichtete, die Schultern reckte und vor ihm stand, wie er sie kannte: mit klaren Augen und bestimmtem Wesen.
    »Ich habe mir beinahe gedacht, daß du auf diese Weise versuchen würdest, dir und den anderen etwas vorzumachen.« Doria Perlsteins ruhige Stimme tönte aus der Dunkelheit; sie schob den letzten Vorhang beiseite und blieb neben Jason stehen. »Leg das Trugbild ab.«
    Dieses eine Mal sah Doria nicht jünger aus als Mutter. Sie hielt sich wie eine weit ältere Frau - ungebeugt von den Jahren, aber niedergedrückt von der schweren Last des Wissens und der Erfahrung.
    »Leg es ab, Andrea.« Doria schluckte mühsam. »Oder ich werde es von dir nehmen.«
    Zusammen mit der Persönlichkeit der Klerikerin hatte Doria auch die Gabe verloren, sich neue Zaubersprüche anzueignen;
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