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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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einen
     Hirsch hetzen. »Sire«, sagen die Jäger, »das wird nichts. Es regnet. Im Regen verlieren die Hunde die Fährte.« Ludwig läßt
     sich nicht abhalten, und mit seinem Spürhund pirscht er selbst nach dem Tier, er setzt an diese Aufgabe ununterbrochen drei
     Stunden in Regen und Hagel. Endlich spürt er die Beute auf, jetzt heißt es nur noch dranzubleiben. Er überläßt diese Sorge
     seinen Jägern, kehrt zurück zum Schloß, geht zur Messe, besucht die Königin, kurz, erfüllt seine üblichen Pflichten. Dann
     speist er, und frisch gestiefelt eilt er wieder zum Gehege und hetzt den Hirsch, den er am Morgen aufgespürt hat. Fünf Stunden
     dauert die Hetz, von ein Uhr mittags bis sechs Uhr abends. Es dunkelt, das Tier liegt endlich im Wundbett, verbellt von der
     Meute, und Ludwig reitet heim zum Schloß. Er wird ausgekleidet, getrocknet, neu eingekleidet. Er besucht die Königin. Im Laufe
     dieses denkwürdigen Tages hat er ihr zweimal zehn Minuten gewidmet und dem Hirsch acht Stunden.
    Weil er ein besessener Jäger war und weil er Rebellen und Verräter exemplarisch bestrafte, wurde behauptet, er habe einen
     Hang zur Grausamkeit. Weit entfernt, dieses Urteil zu bestätigen, bestreite ich es sogar entschieden. Ich jedenfalls würde
     sagen, ihm ging nichts über die Gerechtigkeit.
    Vielleicht erinnert sich meine schöne Leserin, wie er als Zehnjähriger seiner kleinen Schwester Elisabeth eigenhändig ein
     Omelette bereitete und dabei zu ihr sagte, daß er von gewissen bösen Zungen Ludwig der Stotterer genannt werde, aber daß er
     wolle, daß man ihn einmal Ludwig den Gerechten nenne. Es war die Zeit, als er unter den Ungerechtigkeiten seiner Mutter ihm
     gegenüber desto grausamer litt, weil er nicht offen dagegen protestieren konnte: er wäre ausgepeitscht worden.
    So gärte in den ganzen Jahren der Regentschaft in ihm ein unablässiger Groll, der meines Erachtens viel zu seiner Unnachgiebigkeit
     beitrug und die Strenge seiner Herrschaft erklärt. Ich nenne hier nur ein Beispiel. Ihm unterstand eine Kompanie Schweizer
     Soldaten in seinem Alter, die er ebenso straff hielt wie sich selbst. Und ich entsinne mich, wie er – es war ein Jahr nach
     dem Staatsstreich – diese Burschen einmal unangemeldet um sieben Uhr früh in ihrem Quartier aufsuchte |20| und einen noch im Bette fand. Erbost über solche Disziplinlosigkeit, ließ Ludwig ihn auf den Dunghaufen im Hof schaffen und
     ihm das Gesicht mit Pferdemist einschmieren.
    Sicher war das noch wenig in Anbetracht der grausamen Strafen, die unsere Hauptleute über ihre Soldaten verhängten. 1 Und vielleicht berührte mich diese nur deshalb so stark, weil ich dabei Zeuge war.
    In seiner Härte beim Strafen unterschied er sich meines Erachtens am meisten von seinem Vater. Ludwig verzieh nicht gerne
     und nie zweimal. Doch bedeutete diese Unerbittlichkeit nicht, daß ihm menschliche Gefühle abgingen. Als eine Frau, gegen die
     er mit einigem Recht einen sehr heftigen Groll hegen konnte – es war die Frau von Concini, Leonora Galigai –, als diese, sage
     ich, enthauptet und verbrannt wurde 2 , erschütterte ihn der Bericht von der Hinrichtung dermaßen, daß er nachts nicht schlafen konnte. Ich glaube, ihm wäre es lieber gewesen,
     man hätte sie zurückgeschickt nach Italien und sich etwas anderes ausgedacht als gerade diesen finsteren Hexenprozeß, um ihr
     den unermeßlichen Reichtum abzuringen, den sie infolge ihrer Macht über die Regentin hatte zusammenscharren können.
    ***
    Nie werde ich den 13. September 1617 vergessen, ebensowenig wie Monsieur de Luynes, aber bestimmt aus einem ganz anderen Grund.
    An dem Tag nämlich heiratete Luynes. Mit seinem Wunsch danach hatte er Ludwig schon eine Weile in den Ohren gelegen, genaugenommen
     seit den Tagen nach dem Staatsstreich, als Ludwig ihn mit Geschenken und Ehren überhäufte. Als einer der reichsten Grundherren
     nun und sicher der einflußreichste |21| im Land, wollte er ein Haus gründen, das die große Gunst, in der er stand, überlebte.
    Weil Ludwigs Liebe zu ihm grenzenlos schien und der Hofklatsch darüber in die besagte Richtung ging, mag es auch sein, daß
     Luynes die Lästermäuler ein für allemal stopfen wollte, indem er bewies, daß er jedenfalls nicht unempfindlich war für die
     Reize des
gentil sesso
1 und auch nicht unfähig, Nachkommen zu zeugen.
    Ludwig, der ihm damals nichts abschlagen konnte, wollte ihn zuerst mit seiner illegitimen Halbschwester, Mademoiselle de Vendôme,
    
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