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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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es zu verbergen, beschied er sich öffentlich darauf, entweder zu
     schweigen oder mit seinen Worten äußerst sparsam zu sein. Diese Notlösung stellte er gerne als angeborenen Charakterzug dar.
     Als Kind hatte er seinem Erzieher erklärt: »Ihr wißt doch, Monsieur de Souvré, ich bin kein großer Redner.« Und in den Jahren,
     die uns hier beschäftigen, sagte er zu dem Nuntius Corsini: »Ich bin kein Wortedrechsler.«
    Nun, da er Herr in seinem Reich war, entdeckte er allerdings, daß dieser »Charakterzug« auch Vorteile hatte. Verschwiegenheit
     und Geheimhaltung fallen leicht, wenn man wenig spricht. Obendrein verlieh ihm diese Selbstbeschränkung etwas Ernstes und
     Beeindruckendes. Auch gab die Kürze der Rede jedem seiner Worte Gewicht. Trotzdem hatte seine Schweigsamkeit oder Wortkargheit
     einen großen politischen Nachteil, weil das französische Volk derart vernarrt war in die Sprüche und Witze, die blitzenden
     Einfälle und die Schlagfertigkeit, mit denen sein Vater geglänzt hatte und denen er großenteils seinen Aufstieg, seine Überzeugungskraft
     und eine Volkstümlichkeit verdankte, die Ludwig bei all seinen Verdiensten nie erreichte.
    Nicht abwegig erscheint es mir auch, daß die klägliche Erfahrung seiner Hochzeitsnacht mit Anna von Österreich, als er vierzehn
     war, nicht wenig zu seinem Gefühl beisteuerte, den Makel kindlicher Unreife zu tragen, zumal in einem Land, wo Schürzenjägerei
     mehr gilt als Keuschheit. Zumindest war dies ein sehr belastendes Scheitern, an dem er noch jahrelang zu schleppen hatte,
     von den Ängsten und Demütigungen der jungen Königin hier ganz schweigen.
    Sein Vater, der große Draufgänger, war in allem sein Held, sein Vorbild, sein Idol, nur ausgerechnet nicht in der Galanterie.
     Da fiel der Apfel weit vom Stamm. Sein Temperament war mit Fleiß gebrochen worden, indem man ihm von klein auf einschärfte,
     das Fleisch sei der Satan. Pater Cotton nötigte ihn |18| eine volle Stunde zur Beichte und bearbeitete seine Seele, bis darin alle Begierden ausgerottet waren wie Unkraut. Der emsige
     Jesuitenpater ahnte in seinem Glaubenseifer nicht, daß er mit der Spreu den Weizen verwarf. Gutmütig, aber blind, war er sich
     nicht bewußt, daß er den König entmannte, während die Mutter den Sohn gleichzeitig in politischer Ohnmacht hielt. Das war
     kein Komplott. Der gute Pater war selbst am untröstlichsten über das Fiasko dieser Hochzeitsnacht, und er war nicht der letzte,
     der sein Beichtkind drängte, seiner Zeugungspflicht zu genügen. Aber die Sache schien ziemlich verfahren. Ludwig war keusch
     wie ein Mönch geworden. Nichts da mit den reizenden Mätressen, dank derer sein Vater einst seine Manneskraft erfrischte. Und,
     was immer unser netter Hofklatsch auftischen mochte, nichts da auch mit den schönen Knaben Heinrichs III. Gewiß wurde Monsieur
     de Luynes sehr geliebt, aber nicht auf diese Weise.
    Ludwig machte seiner gnädigen kleinen Königin täglich zwei protokollarische Besuche, und oft sah ich ihn bleich und voller
     Unbehagen, wenn er ihre Gemächer betrat – nicht weil er die arme Anna verabscheute, die so hübsch und so lebhaft war und sich
     so sehnlich wünschte, wirklich seine Frau zu werden, sondern weil es ihn furchtbar grauste vor ihren gut hundert Hofdamen,
     die da zuchtlos und schwatzend umherschwirrten, ganz Weib allesamt und, was noch schlimmer war, ganz Spanierinnen, in seinen
     Augen das schlimmste Laster. So manches Mal dachte ich, wie dagegen sein Vater sich in seinem Element gefühlt hätte in diesem
     Frauenschwarm, zwischen samtigen Augen, schwingenden Hüften und funkelndem Lächeln. Für meinen armen Ludwig war es eine Folter.
    Die große Lust seines Lebens – zugleich Genugtuung und Trost für einen durch Enthaltsamkeit fehlgeleiteten Mannesstolz –,
     war die Jagd. Verwegen zu Pferde, unermüdlich zu Fuß, auf der Faust oft den Falken, stellte er allem nach, ob Haar-, ob Federwild,
     nur nicht der schöneren Hälfte der Menschheit. Die Jagd ist etwas Erhabenes für ihn, etwas Heroisches. Vollendetes Können
     steht obenan. Er ist ein unvergleichlicher Schütze. Mit der Hakenbüchse trifft er einen Adler im Flug. Doch damit nicht genug.
     Es gilt alles zu wissen über Wild und Waidwerk, alle Jagdverfahren zu kennen sowie alle Regeln, die dabei zu beachten sind.
     Und dann ist die Beute mit |19| Heldenkraft zu stellen und zu erlegen. Einmal im Gehege Le Pecq, unterhalb des Schlosses Saint-Germain-en-Laye, will er
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