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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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fiel ich lebhaft ein, »das ist nicht egal! Es ist ganz und gar nicht egal! Ich habe konspiriert, einverstanden,
     aber an der Seite meines Königs und gegen die Tyrannei eines schurkischen Abenteurers und einer Mutter, die sich immer noch
     an den Thron klammerte, obwohl ihr Sohn längst für großjährig erklärt worden war.«
    »Na schön, na schön«, sagte Madame de Guise, indem sie ihre molligen Hände hob, »bitte, lassen wir doch diese Spitzfindigkeiten
     … Geschehen ist geschehen, jetzt haben wir die Suppe auszulöffeln.«
    Bei diesen Worten wechselten mein Vater und La Surie einen Blick, denn meine Patin hatte die Angewohnheit, alles, aber auch
     alles, was ihrer Ansicht widersprach, als Spitzfindigkeiten abzutun.
    »Außerdem, wozu sich noch mit der Vergangenheit aufhalten, gibt uns die Gegenwart nicht genug Anlaß zur Sorge?« fuhr Madame
     de Guise fort, wobei sie vergaß, daß sie selbst ebendies getan hatte. »Im Grunde genommen, Söhnchen, verübele ich Euch die
     unwürdige Geheimniskrämerei ja nicht so sehr, nur …«
    »Nur, Madame«, sagte mein Vater, indem er seine breite Rechte auf die kleine Hand meiner Patin legte – eine Berührung, bei
     der sie noch nach so vielen Jahren erschauerte und rosig anlief –, »könnt Ihr nicht begreifen, daß es keine Verschwörung ohne
     Geheimhaltung gibt, nicht wahr? Sogar mir hat Pierre-Emmanuel kein Sterbenswörtchen verraten. Und er hatte recht damit.«
    »Aber, Marquis!« versetzte sie aufgebracht, doch ohne ihre Hand unter der seinen wegzuziehen, »läßt es Euch etwa kalt, daß
     unser Pierre-Emmanuel leicht bis ans Ende seiner Tage in der Bastille hätte schmachten können? Oder, noch schlimmer, auf dem
     Richtblock enden, unterm Henkersschwert?«
    »Madame, wozu ein Was-wäre-wenn beweinen, lacht uns |8| denn nicht die Wirklichkeit?« sagte der Marquis de Siorac. »Ich jedenfalls bin von Herzen froh, daß Pierre-Emmanuel einer
     von jener Handvoll Männern war, die unter Gefahr für Freiheit und Leben den Plan des Königs ausgeführt haben.«
    »Aber das ist es doch gerade!« rief Madame de Guise, »des halb bin ich ja hier! Ich finde, Pierre-Emmanuel ist viel zu bescheiden und zurückhaltend, während die Meute derer, die mit ihm
     im Komplott waren, laut und vernehmlich nach Stellen, Ehren, Titeln und Pfründen schreit.«
    »Ach, und die bekommen sie?« fragte ich stockend.
    »Ja, selbstverständlich!« sagte sie mit einem hochfahrenden Anflug. »Ludwig ist gerecht und vergißt nicht zu belohnen, wer
     ihm so gut gedient hat!«
    Noch zwei Tugenden, die sie ihm plötzlich zuerkennt, dachte ich: Gerechtigkeit und Dankbarkeit. Wie sich die Zeiten ändern!
    »Stellt Euch vor«, fuhr sie leidenschaftlich fort, »Vitry ist vom einfachen Gardehauptmann zum Marschall von Frankreich ernannt
     worden! Statt seiner tritt sein Bruder du Hallier an die Spitze des Garderegiments, und sein Schwager Persan rückt zum Gouverneur
     der Bastille auf. Und das nur für die Schießerei. Aber Monsieur de Luynes wird Erster Kammerherr, dazu darf er sich ein Herzogtum
     samt Pairswürde erwarten und obendrein das riesige Vermögen von Concini.«
    »Das allerdings sollte man besser dem Schatz der Bastille zurückgeben, denn von daher stammt es«, sagte mein Vater streng.
    »Ihr wollt doch nicht etwa Ludwig kritisieren?« sagte Madame de Guise, die mit jeder Minute royalistischer wurde. »Damit aber
     nicht genug«, fuhr sie fort, »auch die beiden Brüder von Luynes sollen großartig bedacht werden: der eine, heißt es, mit einem
     Herzogtum, der andere mit einem Marschallsamt.«
    »Gott im Himmel!« rief mein Vater aus, »ein Marschallsamt für einen, der noch nie den Degen gezogen hat!«
    »Ich stimme Euch bei«, sagte Madame de Guise, »es ist ein bißchen stark. Aber sogar die beiden Bürgerlichen in dem Komplott
     werden ja hoch ausgezeichnet! Tronçon wird Privatsekretär des Königs, und Déagéant ist zum Finanzverwalter ernannt worden
     und wird außerdem Mitglied des Kronrats.«
    |9| »Das freut mich für ihn«, sagte ich. »Er ist ein Mann von großem Wissen und ungemein scharfsinnig.«
    »Es freut Euch für ihn! Also wirklich, Söhnchen«, sagte Madame de Guise mit jähem Zorn, »Ihr glaubt wohl, wenn Ihr Euch wie
     das bescheidene Veilchen im Blätterkranz versteckt, wird man Euch für Eure Mühen belohnen? Teufel noch eins, Monsieur, tretet
     hervor! Wartet nicht, daß die Zeit vergeht und man Euch vergißt! Fordert! Fordert endlich! Oder wollt Ihr Euer
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