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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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Welt nicht gewachsen ist. Deshalb, wenn ich in den Kronrat
     eintreten sollte, wünschte ich, daß niemand mich um Gnadenerweise oder Pensionen aufsuchte, solche Besuche würden mich ganz
     sicher umbringen. Gleichfalls möchte ich, daß der König es nicht übel ansähe, wenn ich nicht oft zu seinem Lever käme, denn
     ich kann nicht lange in einer gedrängten Menge stehen, ohne zu ersticken. Außerdem«, fügte er hinzu, »bin ich mir nicht sicher,
     daß ich dem König in den ausländischen Affären nützlich sein könnte, besonders in dem Zustand, in dem sie von jenen, die sie
     geführt haben, hinterlassen worden sind. Die Veltliner Frage, die deutsche Frage, die Unterstützung der Niederlande und der
     Schweiz sind Dinge von so großer Bedeutung für Frankreich, daß sie besonnene Entschlüsse erfordern, und diese kann nur der
     König in seinem Kronrat fassen. Deshalb gibt es keinen Grund«, hier wurde seine Stimme etwas beißend, und La Vieuville fing
     an zu zittern, »gibt es keinen Grund, sage ich, einen Depeschenrat zu bilden, in dem ich sitzen würde, und einen ›Engen Rat‹,
     in dem ich nicht sitzen würde. Was würde passieren, wenn der Depeschenrat einen Beschluß faßte, und der königliche Rat faßte
     einen anderen, der diesem entgegengesetzt wäre?«
    Hiermit blickte er Ludwig mit gehobenen Brauen an, und |394| Ludwig sagte mit klarer Stimme: »In der Tat, das Ergebnis würde hinken.«
    Damit war La Vieuville bloßgestellt. Er erblaßte. Sein Versuch, Richelieu an die Staatsgeschäfte zu lassen, seinen Einfluß
     aber von vornherein zu beschneiden, war soeben mit wenigen Worten zunichte geworden.
    Ohne die Stimme zu heben, fuhr der Kardinal fort: »Sire, ich bin bereit, mein Leben dem Wohl des Staates zu weihen. Aber es
     fruchtlos zu tun halte ich nicht für zweckmäßig.«
    »Fahrt fort, mein Cousin«, sagte der König.
    »Sire, um Euch auch das nicht zu verhehlen, sehe ich noch einen Umstand, der meinem Eintritt in die Geschäfte entgegensteht.
     Ich bin der Königinmutter sehr verpflichtet, daher könnte mancher versucht sein, Ansichten, die ich zum Wohl des Staates äußern
     würde, zu mißdeuten und der Königinmutter und mir Absichten zu unterstellen, die der Wirklichkeit ganz entgegen wären. Sire,
     es gibt also, um es Euch offen zu sagen, eine Reihe von Beweggründen, die gegen meine Aufnahme in den Kronrat sprechen. Indessen
     werde ich, wenn Eure Majestät es befiehlt, dem Willen Eurer Majestät blind gehorchen. Wenn ich aber dieses Amt annehme, ohne
     es gesucht oder gewünscht zu haben«, und Richelieu brachte es fertig, einen solchen Satz auszusprechen, ohne zu lachen, »so
     möge Eure Majestät wissen, daß ich nie ein anderes Ziel haben werde und haben kann als das Wohlergehen Seiner Person und die
     Größe Seines Staates. Folglich gehen meine glühenden Wünsche dahin, Eure Majestät möge in diesem Glauben so fest sein, daß
     ich gewiß sein kann, es werden Sie keine Arglisten von Übelmeinenden an meiner Aufrichtigkeit zweifeln machen.«
    Langes Schweigen folgte dieser Rede, die zugleich durch ihre Hellsicht, ihre Gewandtheit und ihre unerschütterliche Selbstsicherheit
     beeindruckte. Der Kardinal hatte seine Berufung angenommen, indem er vorgab, sie abzulehnen. Er hatte die Bedingungen seiner
     Rolle exakt definiert und hatte sich als einziger der anwesenden Minister von der Pflicht befreit, am Lever des Königs teilzunehmen
     und Bittsteller zu empfangen.
    »Mein Cousin«, sagte der König, »es ist mein Wille, daß Ihr mit dem heutigen Tag in meinen Kronrat eintretet.«
    Der Kardinal wartete kaum bis zum nächsten Tag, seinesgleichen den Vortritt streitig zu machen. Nicht nur dem Konnetabel |395| und dem Kanzler wollte er vorangehen, sondern auch den Prinzen von Geblüt und den anderen Prinzen, und er setzte es durch.
     Wenige Wochen später wurde dank seiner Empfehlung und unter Vorlage von Beweisen La Vieuville vom König entlassen und aus
     Paris verbannt.

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Informationen zum Buch
    Der Meister des historischen Romans
    "Jetzt bin ich König", sagt der sechzehnjährige Ludwig nach gelungenem Staatsstreich, als der mächtige Günstling seiner Mutter
     Maria von Medici erschossen auf der Brücke zum Louvre liegt. Mit diesem Theatercoup beginnt der sechste Band der Romanfolge
     "Fortune de France", in der Robert Merle historisch verläßlich, mit viel Witz und feiner Ironie ein dramatisches französisches
     Jahrhundert erzählt.

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