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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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er, »was denkt Ihr?«
    »Es ist sehr schön.«
    »Ich meine nicht das Fenster«, sagte er, ohne den Kopf zu heben und ohne etwas hinzuzusetzen.
    »Wenn ich Euch recht verstehe, Sire, fragt Ihr mich, was ich von der gegenwärtigen Lage halte?«
    »Richtig.«
    »Offen gestanden, Sire, dasselbe, was Ihr selbst davon haltet. Das heißt erstens, daß Ihr La Vieuville über kurz oder lang
     entlassen werdet.«
    »Weiter.«
    »Zweitens, daß Ihr den Kardinal in Euren Rat holt.«
    »Nein, nein, ebenda ist doch der Haken.«
    »Sire, der Haken ist, daß Ihr fürchtet, der Kardinal könnte Euch aufgrund seines anmaßenden und herrischen Wesens tyrannisieren,
     aber eben das wird er nicht tun.«
    »Warum?«
    »Sire, Ihr habt die Minister Concinis verbannt. Ihr wart an dem Punkt, Monsieur de Luynes in Ungnade zu stoßen, als er starb.
     Ihr habt Prinz Condé verabschiedet, weil er nur nach seinem Kopf handelte. Ihr habt die Brûlarts entlassen. Welche Macht der
     Welt könnte Euch hindern, den Kardinal Richelieu zu entlassen, wenn er Euch nicht zufriedenstellen sollte? Glaubt Ihr, wenn
     Ihr eines Tages zu Vitry oder Praslin sagt, nehmt den Kardinal fest und begleitet ihn nach Avignon, unter Verbot, nach Frankreich
     zurückzukehren, daß sie Euch nicht gehorchen werden?«
    »Aber angenommen, ich hole ihn in meinen Rat, wird er dann nicht zu sehr auf die Königinmutter hören?«
    |390| »Sire, der Kardinal ist ein Mann, der an die Macht will. Diese Macht kann er nur von Euch erhalten und nicht von Ihrer Majestät
     der Königinmutter. Sicher wird er gelegentlich in die Zwickmühle geraten zwischen der Königinmutter und Euch, aber das ist
     dann seine Sache, nicht die Eure.«
    »Seid Ihr dem Kardinal schon begegnet?«
    »Ja, Sire, als ich im Gefolge des Kardinals de La Rochefoucauld in Angoulême war.«
    »Was haltet Ihr von ihm?«
    »Er ist ein sehr scharfsinniger Mann.«
    »Anscheinend«, sagte Ludwig mit einer Spur von Verstimmung, »seid Ihr ihm schon völlig ergeben.«
    »Sire, ergeben bin ich nur Euren Interessen und Eurer Person.«
    »Ich weiß, Sioac. Ich danke Euch für dieses Gespräch.«
    »Sire, Ihr habt durch meine Vermittlung nur mit Euch selbst gesprochen.«
    »Auch gut.«
    Schweigen trat ein, weil Ludwig in der Wahl einer Farbe für seinen Entwurf schwankte. Als er sich entschieden hatte, blickte
     er auf und sah mich an.
    »Sioac«, sagte er, »wie kommt es, daß Ihr mich nie um eine Gunst bittet?«
    »Weil ich weiß, Sire, daß Ihr Bittsteller nicht liebt.«
    »Gut, diesmal sprecht.«
    »Sire, um Euch denn zu gehorchen, bitte ich um folgendes: Nachdem Ihr La Vieuville entlassen habt, beliebt Euch in Erinnerung
     zu rufen, daß Schomberg noch immer in Nanteuil sitzt.«
    »Wir werden sehen«, sagte Ludwig mit undurchdringlichem Gesicht.
    Am achtundzwanzigsten April – der Tag neigte sich schon – , beauftragte ich La Barge, so unauffällig er konnte den Pater Joseph
     in seinem Kloster aufzusuchen und ihn um einen Besuch bei mir zu bitten. Er ließ nicht lange auf sich warten, denn er verstand
     natürlich, daß ich ihn um diese späte Stunde nicht störte, wenn ich ihm nicht eine wichtige Nachricht mitzuteilen hätte.
    »Pater«, sagte ich, »die Neuigkeit ist die: La Vieuville hat den König in der Tat ersucht, den Kardinal in den Kronrat zu
     holen, aber in so restriktiver Weise, als wollte er ihm Krallen |391| und Zähne stutzen. Es soll ein ›Depeschenrat‹ gebildet werden, bestehend aus dem Kardinal und zwei oder drei anderen Personen
     geringerer Statur, der die Nachrichten aus dem Ausland zur Kenntnis nimmt. Doch sollen weder Richelieu noch diese anderen
     zugelassen sein in einem sogenannten ›Engen Rat‹, dem der König, die Königinmutter, der Konnetabel und die Staatssekretäre
     angehören. Und, wohlverstanden, hängt von diesem ›Engen Rat‹ dann alles ab.«
    »Was für eine ausgemachte Dummheit!« sagte der Pater zähneknirschend. »Ebensogut könnte man den Kardinal in Quarantäne setzen:
     Das nimmt er niemals an.«
    »Aber er muß vor dieser elenden Falle gewarnt werden.«
    »Daran soll es nicht fehlen«, sagte Pater Joseph.
    Und zur selben Minute brach er auf. Ich konnte ihn nicht überreden, daß er sich von La Barge zu seinem Kloster begleiten ließ.
    Am nächsten Tag, dem neunundzwanzigsten April, einem Montag, ging ich um neun Uhr zum Lever des Königs. Er wirkte ausgeruht
     und mit sich einig, aber er wollte nichts essen, sondern erst die Messe hören und beichten. Als er um zehn
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