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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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Vieuvielle hat Ämter verschachert, hat ohne Wissen des Königs Entscheidungen des Kronrats abgeändert,
     hat gegen seinen Befehl verhandelt, und so weiter.«
    »Dem könnte man«, sagte ich, »seine Arroganz und seine Grobheit hinzufügen, wenn er sich weigert, die vom König bewilligten
     Pensionen auszuzahlen. Wißt Ihr, was er denen, die ihre Rückstände bei ihm einforderten, je nach Jahreszeit geantwortet hat:
     ›Ich heiße Januar und nicht Oktober‹, oder: ›Ich bin La Vieuville und nicht der Goldesel.‹ Ihr mögt Euch denken, wie beliebt
     er sich mit seinen Ablehnungen und Witzchen am Hof gemacht hat.«
    »Die Ungnade des Königs und der Haß des Hofes«, sagte Fogacer, »das ist nicht wenig. Wißt Ihr, welchen Rückhalt La Vieuville
     hätte, um sich aus der Affäre zu ziehen?«
    »Er hofiert die Königinmutter«, sagte Pater Joseph, »und obwohl sie schon wieder schmollt, empfängt sie ihn.«
    »Wie«, fragte ich, »sie schmollt wieder?«
    »Oh, es ist nicht so schlimm«, sagte Fogacer. »In Paris hat sie den Palais du Luxembourg kaum mehr verlassen und den Fuß überhaupt
     nicht mehr in den Louvre gesetzt. Hier, in Compiègne – dafür liebt sie Feste zu sehr –, ist sie überall dabei, aber den König
     schneidet sie nach wie vor.«
    »Immerhin, meine Herren«, sagte Pater Joseph, indem er die rechte Hand hob, »hat sie dank dem Kardinal große Fortschritte
     im Schmollen aufzuweisen. Sie schmollt, ja, aber ohne Szenen zu machen, ohne Geschrei und wutschnaubende Mienen. Sie schmollt
     mit echt königlicher Würde, und sie gedenkt so weiterzuschmollen, sagt sie, bis ihr Sohn den Kardinal in den Kronrat beruft.«
    »Nun ja, der Kardinal würde uns von all diesen Strauchdieben wirklich befreien«, meinte Fogacer, der Richelieu hiermit |388| zum erstenmal und in Gegenwart des Paters Joseph eine Huldigung erwies.
    Also, schloß ich, sähe der Nuntius den Kardinal gar nicht ungern an der Spitze der französischen Politik.
    »Das Dilemma des Königs«, fuhr der Pater fort, »ist doch dies: Er will nicht regiert werden, aber selbst regieren will er
     auch nicht. Er liebt die Jagd viel zu sehr, als daß er sich befleißigen würde, die Geschäfte von Grund auf zu studieren, Entscheidungen
     zu treffen und über ihre Ausführung zu wachen. Er will also jemanden über sich, der aber gewitzt genug wäre, sich ihm stets
     unterzuordnen und nie zu entscheiden, ohne ihn in allem zu fragen.«
    Ein ziemlich langes Schweigen trat ein, und Fogacer und ich wechselten einen Blick. Hatte Pater Joseph soeben ein treffendes
     Porträt des Kardinals gegeben oder seine künftige Strategie gegenüber Ludwig skizziert?
    »Wie begegnet die Königinmutter La Vieuville, wenn er sie besucht, wißt Ihr das?«
    »Liebe Zeit«, sagte der Pater, »er ist für sie ein kostbares Werkzeug, wenn auch ohne weitergehenden Gebrauch. Sie drängt
     ihn tagtäglich, den König aufzufordern, daß er Richelieu in seinen Rat holt.«
    »Und was antwortet ihr La Vieuville?«
    »Er sagt: ›Madame, das wäre binnen kurzem mein Fall und auf längere Sicht auch der Eure‹.«
    »Nicht dumm, der Gauner«, sagte Fogacer, indem er seine mephistophelischen Brauen wölbte.
    Es war aber nur ein Aufblitzen. In der nächsten Sekunde zeigte sein Gesicht wieder die beruhigende Gutmütigkeit, die einem
     Domherrn des Heiligen Kapitels ziemte.
    »Wird La Vieuville diesen schicksalhaften Schritt beim König denn jemals tun?« fragte ich lächelnd.
    »Er hat ihn getan«, sagte Pater Joseph. »Er hat sich in sein Los gefügt. Er dachte sich wohl, wenn er stürzen müßte, wäre
     die Königinmutter wenigstens das Kissen, das ihn auffangen könnte.«
    Ich brach in Lachen aus, Fogacer lachte auch, und Pater Joseph fragte uns mit gespieltem Erstaunen: »Habe ich etwas Ungehöriges
     gesagt?«
    ***
    |389| Die große Zehe des Königs wollte nicht heilen, sondern schmerzte immer mehr. Héroard drang in Ludwig, einmal einen Tag im
     Hause zu bleiben. Ludwig fügte sich, aber Grimm im Herzen, und obwohl er nie um irgendeine kleine Beschäftigung verlegen war,
     in der er durch seine Geschicklichkeit glänzte, sah ich, daß er nicht mit dem Herzen dabei war. Er grübelte schwer, aber nicht
     über das, was er tat, er war unruhig und ratlos.
    »Sioac«, sagte er und brach damit endlich das Schweigen, das seit einer Stunde währte, »kommt bitte her!«
    Ich näherte mich seinem Tisch, wo er auf einem dicken Bogen einen Entwurf für ein Glasfenster ausmalte.
    »Also«, sagte
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