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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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über den Staatsschatz wachte.
    Dieser Handel mißfiel Ludwig, aber die Situation war verzweifelt. Wohl oder übel ging er darauf ein, jedoch unter zwei Bedingungen,
     die jeder andere Finanzier schimpflich gefunden hätte: La Vieuville wurde nur für ein Jahr ernannt und mußte dem Kanzler Brûlart
     de Sillery täglich Rechenschaft ablegen.
    Diese Klausel schien noch ein gewisses Vertrauen des Königs in seinen Kanzler anzuzeigen. Dem war nicht so. Tausend Indizien
     bewiesen mir, daß Ludwig die Augen nicht mehr schloß, nachdem sie ihm einmal über die Brûlarts aufgegangen waren, und daß
     diese zwei bei ihm nicht mehr im Geruch der Heiligkeit standen. Dies wurde mir durch einen Zwischenfall bestätigt, der, wie
     so oft am Hof, ein Streit um den Vortritt war. Von den berühmten Lilien, die der Graf von Soissons einst auf einem Hochzeitskleid
     verbieten wollte, bis hin zu Ludwigs Tafelserviette, die sich der Sohn des genannten Herrn und der Prinz Condé streitig machten,
     gab es zahllose Beispiele solcher Zänkereien, an denen der Hof leidenschaftlichen Anteil nahm, weil dahinter in Wahrheit jeweils
     große Interessen standen.
    Seit einem Edikt von 1567 nun hatten die zum Kronrat gehörigen Kardinäle nicht mehr den Vortritt vor den Prinzen von Geblüt.
     Aber hatten sie ihn vor dem Kanzler, oder nicht? Das war die große Frage, die man sich stellte, als der Kardinal de La Rochefoucauld
     für den Kardinal von Retz in den Rat eintrat und behauptete: ja. Kanzler Brûlart de Sillery behauptete: nein. Der Hof spaltete
     sich in zwei Parteien, eine für den Kardinal, |382| die andere für den Kanzler. So verwegen Ludwig auf dem Schlachtfeld war, so vorsichtig war er in der Personalpolitik und ließ
     sich wie immer Zeit, Stellung zu beziehen.
    Der Kardinal de La Rochefoucauld erhielt einen Verbündeten von Gewicht, denn die Königinmutter sprach sich für ihn aus. Der
     Hof tuschelte und lachte insgeheim, denn jedem war klar, daß sie hierin von einem anderen Kardinal belehrt worden war, der
     seine Zukunft vorbereitete. Ich wurde von Ludwig nicht um meine Meinung befragt, und noch nachträglich erschrocken, wie nah
     die Kugel nach Schombergs Verbannung an meinem Gefieder vorbeigesaust war, hütete ich mich auch, den Mund aufzumachen. Anna,
     katholisch auf spanische Art, war ebenfalls für den Kardinal de La Rochefoucauld, nur daß die Ärmste in ihrer Abgeschiedenheit
     nicht groß zählte. Wer schließlich das Zünglein an der Waage war und welches Argument dieser Mann gebrauchte, um Ludwig zu
     einer Entscheidung zu bewegen, erfuhr ich durch Fogacer.
    »Glaubt mir, Siorac«, sagte Fogacer, als er auf ein Gläschen Burgunder bei mir hereinschaute, »in diesem Reich gibt es keinen,
     der es mit dem Nuntius an Schläue aufnehmen kann, höchstens Richelieu. Er hatte heute ein vertrauliches Gespräch mit dem König,
     ohne Puisieux. Zuerst klagte er über die Anmaßung der Hugenotten, die von Ludwig soeben gefordert hatten, die königliche Garnison
     aus Montpellier abzuziehen. Dann fuhr er scheinbar ganz harmlos fort, diese unerträglichen Dreistigkeiten der Hugenotten rührten
     nur daher, weil sie wüßten, daß ›die Minister Seiner Majestät Frieden um jeden Preis wollen, ob nun mit ihnen oder in der
     Frage des Veltlin.‹ Den Kardinal de La Rochefoucauld und sein besagtes Vorrecht erwähnte der Nuntius nicht einmal. Als ob
     ihn das gar nicht interessiere.«
    »Wann fand dieses Gespräch zwischen dem Nuntius und dem König statt?«
    »Heute abend um sechs.«
    »Also entscheidet Ludwig morgen?«
    »Und wahrscheinlich erratet Ihr seine Entscheidung bereits?«
    »Sicher. Der Nuntius hat die empfindliche Saite angeschlagen. Frankreich ist ruiniert. Es macht keine Außenpolitik mehr und
     genießt keinen Respekt. Und wessen Schuld ist das, wenn nicht der Brûlarts?«
    |383| Tatsächlich sprach Ludwig am folgenden Tag dem Kardinal de La Rochefoucauld den Vortritt zu. Genauer gesagt, er verweigerte
     ihn dem Kanzler. Welcher sich plötzlich vom eisigen Wind der Ungnade umweht fühlte. In seinem Schrecken verfiel er darauf,
     in Rom um den Kardinalshut zu ersuchen, damit der, wenn er von den Höhen der Macht stürzte, seinen Sturz mildere.
    An sich war das nicht unsinnig. Meine schöne Leserin wird sich erinnern, daß es Laienkardinäle gab, die nur den Diakontitel
     hatten. Aber man hätte im Vatikan schon
persona gratissima
sein müssen, um eine solche Ehre zu erlangen, und sie hätte vom König beim Papst
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