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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens
Autoren: R Merle
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erbeten werden müssen, was im vorliegenden
     Fall ausgeschlossen war. Der Hof machte sich also ausgiebig über den armen Kanzler lustig, seine achtzig Jahre, sagten die
     einen, seien ihm aufs Gehirn geschlagen, die anderen meinten, wenn schon am Rand des Grabes, wolle er eben in Purpur gebettet
     sein.
    Seltsam, das Beil brauchte abermals Monate, bis es auf die Brûlarts herabfiel. Nicht daß es Ludwig nicht gejuckt hätte, sie
     davonzujagen, aber er wußte nicht, wie er sie ersetzen sollte: Er liebte La Vieuville nicht, diesen Mann des Schwertadels,
     der amtsadliges Gold geheiratet hatte und die Fehler beider Kasten in sich vereinigte: die Habgier des Bürgers und den Dünkel
     des Seigneurs. Und obwohl Ludwig besser als jeder andere das Genie des Kardinals von Richelieu spürte, fürchtete er, wenn
     er ihm die Geschäfte anvertraute, unter eine zwiefache Tyrannei zu geraten, der seinen und der seiner Mutter.
    Inzwischen war Richelieu nicht untätig. Durch gutes Zureden und Schmeichelei hinderte er die Königinmutter, sich in törichte
     Intrigen zu stürzen oder in jene Zornesausbrüche zu verfallen, die den Louvre erschütterten und nach denen sie jedesmal endlos
     zu schmollen pflegte. Er selbst versagte es sich durchaus nicht, zu intrigieren, aber mit einem Geschick, das die Ärmste niemals
     erlangt hätte, nicht in dieser noch in jener Welt.
    Richelieu hatte einen guten Intendanten, dessen Bruder Fancan, Domherr von Saint-Germain-l’Auxerrois, einige Ansichten des
     Kardinals teilte und überdies eine scharfe und schwungvolle Feder schrieb. Richelieu ermutigte ihn, dieses ungenutzte Talent
     zu gebrauchen, und zu der Zeit, als Ludwig sich von den |384| Brûlarts abzuwenden begann, publizierte Fancan ein Pamphlet unter dem Titel
Das sterbende Frankreich
, in dem er die Minister in ihren wahren Farben schilderte und ihnen vorwarf, »das Veltlin feige aufzugeben und unersättlich
     nach den öffentlichen Geldern zu gieren«, so daß sie Subsidien für die eigene Tasche abzweigten, die zur Unterstützung unserer
     Verbündeten bestimmt waren.
    Dieses Pamphlet lehrte den König nichts Neues über die Brûlarts, weil er sie längst im Verdacht hatte. Aber es lehrte ihn,
     daß alle Welt in Stadt und Hof Bescheid wußte und daß diese Schande auf ihn zurückfiel, wenn er ihr kein Ende machte. Am vierten
     Februar 1624 also erhielt Tronçon Befehl, den Brûlarts, Vater und Sohn, mitzuteilen, sie hätten den Hof zu verlassen. Als
     ich Tronçon mit diesem Auftrag durch den Louvre eilen sah, hieß ich La Barge, seine Rückkehr auszuspähen und ihn mir wohl
     oder übel zuzuführen. Sowie Tronçon mein Gefangener war, schenkte ich ihm einen großen Becher Wein ein, aber nicht den Burgunder,
     sondern meinen Frontignan. Und durch Schmeichelei wie durch Drohung – der Frontignan half tüchtig mit, denn Tronçon mißtraute
     der verräterischen Kraft des Süßweins nicht –, erhielt ich den getreuen Bericht dessen, was Ludwig ihm für die beiden Minister
     aufgetragen hatte.
    »Meine Herren«, sagte er ihnen (und der Leser möge sich vorstellen, mit welcher überwältigenden Würde Tronçon diese königliche
     Botschaft von sich gab), »wenn Ihr Euch der vor dem König gegen Euch erhobenen Anschuldigungen für nicht schuldig erachtet,
     dürft Ihr in Paris bleiben, aber unter der Bedingung, daß der Gerichtshof Eure Geschäftsführung untersuchen wird.«
    »Herr Sekretär«, sagte Brûlart de Sillery seufzend, »ich bin zu alt und gebrechlich, um die Mühsal eines Prozesses auf mich
     zu nehmen. Ich gedenke mich morgen in meinem Landhaus zur Ruhe zu setzen.«
    »Und Ihr, Monsieur de Puisieux?« fragte Tronçon.
    »Die Sohnesliebe«, sagte Puisieux als echter Heuchler, »macht es mir zur Pflicht, meinen Vater auf seinen Ruhesitz zu begleiten
     und über ihn zu wachen.«
    Vielleicht, wagte ich bei mir zu denken, wird Ludwig, wenn er diese Antworten hört, einiges Bedauern und sogar ein wenig |385| Reue verspüren, daß er Schomberg ebendieses Vefahren abgeschlagen hat, der, wie man weiß, eine ganz andere Antwort gegeben
     hätte. Daher vermutete ich, daß Schombergs Verbannung nicht mehr ewig währen würde und beschloß, Ludwig an ihn zu erinnern,
     falls er ihn vergessen sollte.
    ***
    Am achtundzwanzigsten März – das Wetter war für die Jahreszeit sehr schön –, ging der Hof nach Compiègne, Ludwigs liebste
     Residenz neben Saint-Germain-en-Laye, denn beide waren von wildreichen Wäldern umgeben. Weil ich mir
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