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Rose Harbor und der Traum von Glueck

Rose Harbor und der Traum von Glueck

Titel: Rose Harbor und der Traum von Glueck
Autoren: Debbie Macomber
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lebt. «
    Josh wusste, dass sein Stiefvater sich verbissen dagegen wehren würde, sein Haus zu verlassen. Woraus er ihm keinen Vorwurf machen konnte, denn er täte an seiner Stelle dasselbe.
    » Derselbe alte Richard « , bestätigte Michelle.
    » Was ist mit einem Hospiz? «
    Michelle hob eine Schulter. » Er weigert sich, überhaupt darüber zu reden. Irgendwann hat er mal gesagt, er will nicht, dass ein Haufen Leute, die so tun, als würden sie ihn bemitleiden, nur darauf warten, dass er endlich stirbt. «
    Josh schüttelte den Kopf. Nichts anderes war bei Richard zu erwarten gewesen. Warum sollte er sich ausgerechnet an der Schwelle des Todes ändern?
    » Es hat keinen Zweck, es noch länger aufzuschieben. Lass uns rübergehen « , sagte er, trank einen letzten Schluck Kaffee und stellte den Becher auf den Tresen.
    Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Was, wenn sein Anblick Richard dermaßen schockierte, dass er auf der Stelle tot umfiel oder einen schweren Infarkt bekam? Eine Vorstellung, die bei Josh durchaus zwiespältige Gefühle auslöste. Zum einen schämte er sich deswegen, zum anderen wünschte er sich genau das insgeheim.
    Im Laufe der Jahre hatte er hart daran gearbeitet, die ganze unsägliche Geschichte zu vergessen, und doch überfiel ihn hier in Cedar Cove prompt wieder dieselbe starke Abneigung wie früher. Es war, als hätte er niemals Abstand gefunden und wäre wieder achtzehn Jahre alt – ein widerspenstiger, unreifer und unglücklicher Junge.
    » Ich hole nur schnell meinen Mantel. Bin gleich wieder da. «
    Michelle stellte ihre Kaffeetasse ebenfalls ab und verließ den Raum.
    Josh schob die Finger in die Taschen seiner Jeans. » Ich bin dir sehr dankbar, dass du mit mir hinübergehst « , rief er ihr nach.
    » Kein Problem. «
    Michelles Worte hallten durch den Flur, der zu den Schlafzimmern führte.
    Als sie zurückkam, trug sie eine leuchtend rote Jacke und hatte sich einen weißen Strickschal um den Hals gebunden. Nach der Wärme der Küche traf sie der schneidende, eiskalte Winterwind wie ein Schlag. Zum Glück mussten sie nur bis zum Nachbargrundstück laufen. Die Nelsons waren bereits seine Nachbarn gewesen, als Josh und seine Mutter bei Richard eingezogen waren.
    » Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte, bevor ich ihm gegenübertrete? «
    Josh ärgerte sich, weil er nicht früher daran gedacht hatte, diese Frage zu stellen.
    Michelle passte sich seinen langen Schritten an, als sie nebeneinander durch den Nieselregen gingen.
    » Er sieht viel älter aus, als er ist. Das ist mir ungefähr sechs Monate nach Dylans Tod zum ersten Mal aufgefallen. Ich glaube, er hat es nie verwunden, seinen Sohn begraben zu müssen – anschließend begann er rapide abzubauen. «
    Zu seiner Überraschung durchzuckte Josh ein Anflug von Mitgefühl. Richard hatte zwei Frauen und seinen einzigen Sohn verloren, und sein letzter lebender Angehöriger war ausgerechnet der Stiefsohn, den er nie gemocht hatte. Jeder Mensch, der ihm je etwas bedeutete, war tot. Und zudem war mit Dylan auch die Zukunft gestorben.
    Richard würde der Letzte seiner Familie sein.
    Sie stiegen die Stufen zu der kleinen Veranda empor. Die einst sorgfältig gehegten und gepflegten Blumenbeete im Vorgarten, der ganze Stolz seiner Mutter, waren inzwischen komplett von Rasen überwuchert. Josh hatte sein Bestes getan, um die Rabatte in Ordnung zu halten, während seine Mutter vergeblich gegen den Brustkrebs ankämpfte, doch außer ihnen beiden war niemand an den Blumenbeeten interessiert gewesen. Schnell wandte er den Blick ab – schließlich wollte er sich nicht von einer solchen Bagatelle aus der Fassung bringen lassen. Allerdings schien Richard sich generell nicht mehr um den Garten zu kümmern, in dem er früher ständig gemäht, geharkt und geschnitten hatte. Alles sah inzwischen ziemlich wild aus.
    » Richard schließt seine Tür meistens ab. «
    Michelle griff in den Briefkasten und förderte einen Hausschlüssel zutage, schloss die Tür auf und warf den Schlüssel anschließend in den Kasten zurück.
    » Hallo « , rief sie, als sie die Vordertür öffnete. » Jemand zu Hause? «
    » Wer ist da? « , krächzte Richard mit einer Stimme, die Josh nur noch vage vertraut vorkam.
    Es klang, als halte er sich im Wohnzimmer neben der Küche auf.
    » Ich bin’s, Michelle. «
    » Mir geht es gut. Ich brauche nichts. «
    » Wunderbar « , rief sie zurück. » Ich habe Ihnen nämlich auch nichts mitgebracht. «
    Sie lachte.
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