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Rosas Vermaechtnis

Rosas Vermaechtnis

Titel: Rosas Vermaechtnis
Autoren: Christa Leinweber
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Geschwür hervorquoll, mit dem Zeigefinger nach, bis sie vor einem braunen, wie Rost anmutenden Flecken haltmachte. Jan, der die Spur mit den Augen verfolgt hatte, stutzte, genau wie seine frühere Kollegin.
    »Denkst du auch, dass es das ist, was ich vermute?«, fragte er langsam. Alexandra nickte.
    »Das sieht mir sehr nach einem alten Blutfleck aus. Warum ist der mir bloß bis jetzt entgangen?«
    Marie, die hinzugetreten war, machte eine erklärende Handbewegung: »Weil wir nicht darauf geachtet haben. Weder, als der Einbruch passiert war, noch, als wir die Sofas in den Keller gebracht haben. Die Idee, dass beide Vorfälle zusammenhängen könnten, ist uns ja gar nicht gekommen.«
    Jan hatte das besage Stück Stoff bereits mit einer herumliegenden Schere abgeschnitten und zog eine kleine Plastiktüte aus seiner Jeanstasche, um den Fetzen einzupacken.
    »Hast du in allen Hosen und Jacken eigentlich Tüten, falls dir irgendwo mal Spuren über den Weg laufen?«, erkundigte sich Marie verwundert. Jan sah sie ein bisschen verschämt an, dann nickte er und zuckte mit den Achseln.
    »Muss wohl eine Berufskrankheit sein, aber es stimmt tatsächlich. Wenn du wüsstest, wie oft ich nach der Reinigung der Sakkos so einen komischen Klumpen in der Tasche finde. Von der Waschmaschine, die bei der Hosenwäsche schon öfter ihre Dienste verweigert hat, ganz zu schweigen.«
    Sie lachten.
    Es handelte sich tatsächlich um einen eingetrockneten Blutfleck, wie die Analyse im Labor der Rechtsmedizin ergab, wenn er auch weder zu Battner noch zu irgendeinem Straffälligen aus der Kartei passte. Alexandra mutmaßte, dass es sich vielleicht um ihr eigenes Blut handeln könnte, um einen Fleck, den sie nicht bemerkt oder aus Nachlässigkeit nicht beseitigt hatte. Aber auch diese Spur führte ins Leere.
    »Okay, das Blut kann auch von irgendeinem Besucher stammen, wer weiß?«, überlegte Alexandra. »Oder eben doch vom Täter«, warf Jan ein, als sie zusammensaßen, um zu beratschlagen. »Wenn ich mir überlege, dass wir sonst überhaupt keinen Ansatzpunkt finden, der uns weiterbringt, will ich mir auch gar nichts anderes vorstellen.«
    In der Nacht schreckte Alexandra wieder aus einem Alptraum hoch. Sie sah ihren Vater die Wohnung betreten, ein Messer in seiner Hand, der Katze drohen, die fauchte und kratzte und sich jaulend unter den Schrank flüchtete. Mit einer ausholenden Bewegung schlitzte der Vater das Sofa auf, um sich mit einem hämischen Lachen wieder aufzurichten.
    Als Alexandra am Morgen wieder erwachte, schüttelte sie den Kopf. Das war ja wohl die dümmste Lösung, trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass sich der Tathergang so ähnlich abgespielt haben könnte, lediglich die Person war die falsche.
    Dass Alexandra immer wieder von ihrem Vater träumte, war nicht neu, auch nicht, dass diese Träume selten schön oder gar beruhigend waren.
    Die Ehe ihrer Eltern war nicht glücklich gewesen, auch schon, bevor Alexandra geboren wurde. Sie war ein sogenannter ›Versöhnungsunfall‹ nach einem Streit gewesen, so hieß es später, woran schon das kleine Mädchen schwer zu tragen gehabt hatte. Die Mutter war der Hoffnung erlegen, dass das Verhalten ihres Mannes sich durch die Schwangerschaft ändern würde, aber als dann ›nur‹ ein Mädchen geboren wurde, war der Keim väterlichen Interesses sofort wieder erloschen. Alexandra setzte alles daran, die Liebe ihres Vaters zu erringen, wenn er – selten genug – zu Hause war. Vergeblich. Er übersah sie, verhielt sich gleichgültig, und sie spürte, dass sie ihm lästig war, wenn sie ihn etwas fragte, ihm freudig übersprudelnd etwas erzählen wollte oder versuchte, auf seinen Schoss zu klettern. Anstatt sie liebevoll in den Arm zu nehmen, wurde er ganz starr, was dazu führte, dass sie den Halt verlor und vom Schoss rutschte.
    Alexandra lernte, dass sie einfach nicht interessant genug war, um die Aufmerksamkeit ihres Vaters auf sich zu lenken, jedenfalls glaubte sie das. Dass das Unvermögen, jemand anderen als sich selbst zu lieben, auf der väterlichen Seite zu suchen war, wäre ihr niemals in den Sinn gekommen. Die Mutter versuchte auszugleichen, was möglich war, aber auch sie war natürlich nicht in der Lage, den Vater in diesem Punkt zu ersetzen.
    So wuchs Alexandra mit einem Loch in ihrer kleinen Seele auf, das sich niemals schloss. Wenn sich später, als Heranwachsende, junge Männer für sie interessierten, tat sie das von vornherein ab. Für sie würde sich ja doch
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