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Rosas Vermaechtnis

Rosas Vermaechtnis

Titel: Rosas Vermaechtnis
Autoren: Christa Leinweber
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den Kopf und schwieg. Die beiden anderen konnten geradezu spüren, wie es in ihm arbeitete. Endlich begann er zu schluchzen. »Er hatte meine Mutter auf dem Gewissen«, sagte er leise. »Nicht nur, dass er unsere Familie zerstört hat, er hat sie auch an dem Tag, an dem sie verunglückte, in den Tod geschickt.« Elias Battner rang um Fassung. »Er hatte wichtige Unterlagen vergessen, die er für eine Vorlesung brauchte, und meine Mutter gebeten, sie ihm zu bringen. In der Nacht hatte es gefroren, die Straßen waren spiegelglatt, und die Strecke von Adendorf nach Bonn war gefährlich. Sie muss einem Lastwagen, der entgegenkam, ausgewichen sein, kam von der Fahrbahn ab und knallte mit voller Wucht gegen einen Baum. Es hieß, sie sei sofort tot gewesen, aber ob das wirklich so war oder ob sie noch gelitten hat, wer weiß das schon?« Elias liefen die Tränen über das Gesicht, Jan nestelte eine Packung Papiertaschentücher aus seiner Jackentasche, öffnete sie und reichte ihm eines davon. Elias schnäuzte sich und wischte sich die Augen. »Mutter war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Sie hatte immer viel zu tun, aber ich habe mich nie vernachlässigt gefühlt. Sie war fröhlich, und als sie später immer trauriger wurde, weil es zwischen ihr und meinem Vater nicht mehr stimmte, hielten wir beide noch fester zusammen. Bis der Professor kam. Ich habe ihn von Anfang an gehasst!« Elias' Augen verdunkelten sich. »Ich merkte, dass der Mann gefährlich war, dass er versuchte, mir meine Mutter wegzunehmen, noch bevor Vater auch nur irgendwas mitbekam. Hafner mochte mich auch nicht. Trotzdem hätte ich mich irgendwie arrangiert. Ich habe ihn aber noch mehr gehasst, als er meine Mutter dazu zwang, mich zurückzulassen. Sie hat sich damit gequält, aber dann tat sie, was er wollte.«
    »Wann reifte in Ihnen der Plan, ihn umzubringen?«, fragte Jan leise.
    »Die Gelegenheit war einfach irgendwann günstig, einen Plan hatte ich gar nicht. Es gab aber keinen einzigen Tag nach Mutters Tod, an dem ich ihm nicht das Gleiche gewünscht hätte. Ich wusste, dass er an besagtem Abend in Richtung des Weinhofs unterwegs sein würde. Er wollte unerkannt an einer Weinprobe teilnehmen. Morgens bin ich zu Welsch gefahren, um ein paar Kaninchen für das Restaurant abzuholen. Seine Waffen lagen da einfach so rum. Wahrscheinlich wollte er sie putzen, was weiß ich. Auf jeden Fall nahm ich das Gewehr mit, weil ich das spannend fand. Am Abend habe ich gekocht, aber dann war nicht so viel los, und als der Professor sich auf den Weg machte, bin ich ihm heimlich gefolgt, habe ihn überholt, ohne dass er mich erkannt hat, und habe mich mitten auf die Straße gestellt. Er musste halten.
    ›Was soll das, Elias, spinnst du?‹, schrie er und sprang aus dem Wagen. Ich bedrohte ihn und zwang ihn, vor mir herzulaufen.« Elias Battners Stimme hatte einen mechanischen Tonfall angenommen, als ob er eine Situation beschriebe, an der er selbst keinen Anteil gehabt hatte. »Ich zwang ihn, sich zu setzen. Wie viel Zeit vergangen ist, weiß ich nicht mehr. Ich habe ihm jedenfalls alles vor die Füße geknallt, was ich ihm immer schon sagen wollte. Als er dachte, ich hätte mich etwas beruhigt, sprang er auf und versuchte zu fliehen. Da habe ich geschossen ...«
    Der Körper des jungen Mannes sank in sich zusammen. Niemand sagte etwas. Den beiden Kommissaren fuhren ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf. Elias hatte als zutiefst gekränktes Kind gehandelt. Jan fiel ein, wie sehr er seinen eigenen Vater gehasst hatte, und wenn er damals größer gewesen wäre, hätte er sich durchaus vorstellen können, den Tod seiner Katze im gleichen Augenblick zu rächen. Er konnte sich vorstellen, was in Elias vorgegangen war, wie viele Jahre er gelitten hatte. Da jedoch niemand aus seiner engsten Umgebung wirklich gewusst hatte, wie es um ihn stand und welch krankhafte Züge er entwickelte, war ihm die notwendige Hilfe versagt geblieben.
    Alexandra und Marie waren von der Lösung des Falles entsetzt, obwohl sie bereits geahnt hatten, wie alles zusammenhing. Trotzdem waren sie froh, dass nun alles vorüber war und der Alltag wieder unspektakulär verlief.
    Vielleicht nicht ganz – für Marie hatte sich etwas verändert. Und auch für Jan.

 
     
     
    Von Christa Leinweber ist auch als eBook erschienen:
     
    LANGE SCHATTEN
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