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Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Jeri Smith-Ready
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ausgezeichneter Fahrer«, sagt Shane in bester Rain-Man -Manier, während er in den zweiten Gang schaltet.
    Ich blicke zurück zu Davids Auffahrt. Überall stehen die schwarzen Vans der Internationalen Liga zur Überwachung und Steuerung untoter körperlicher Entitäten. Glücklicherweise wird hier draußen auf dem Land dieser ganze Tumult nicht sonderlich Aufmerksamkeit erregen. Andererseits wäre es viel schwieriger gewesen, David zu überfallen, würde er in der Stadt wohnen. Die Lage ist bei Immobilien einfach entscheidend.
    Leider reichen diese Gedanken nicht – ebenso wenig wie das anhaltende Schwindelgefühl mitsamt der Mattigkeit –, um mich vom Grübeln über das niederschmetterndste Ereignis dieses ereignisreichen Tages abzuhalten.
    »Danke, dass du nicht gesagt hast, du hättest es ja gewusst.«
    Shane konzentriert sich darauf, in den dritten Gang zu schalten, ehe er antwortet. »Das muss ich dir auch gar nicht sagen. Das weißt du schließlich selbst.«
    »Ich habe mir eingebildet, ich wäre dieses Mal vorsichtiger mit Dad. Ich dachte, ich würde nicht so viel Gefühl investieren. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, er könnte uns an Gideon verkaufen. Es erklärt aber alles – beispielsweise warum Gideon mich schon am ersten Abend beim Sender beobachtet hat. Und warum er mich nicht zum Vampir gemacht hat.«
    Shane wirft mir einen langen Blick zu. Dann lenkt er den Wagen von der Schotterpiste auf die geteerte Landstraße. »Er wollte dich nicht zum Vampir machen. Er wollte dich umbringen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Er hat dich aufrecht stehend beißen wollen. Das kann eine Luftembolie verursachen und führt zu Herzstillstand oder einem Schlaganfall. Du hättest nicht lange genug gelebt, um verwandelt zu werden.«
    Weil ich einen Brechreiz erwarte, fasse ich vorsorglich nach dem Türgriff. Normalerweise führen nämlich Worte wie ›Luftembolie‹ oder ›Herzstillstand‹, selbst aus dem Kontext herausgerissen, bei mir automatisch dazu, dass ich mich hinlegen möchte. In diesem Fall reicht es, ein paarmal tief Luft zu holen, und die Übelkeit weicht dem Gefühl, glücklich und am Leben zu sein.
    »Was war eigentlich der letzte ›letzte Song‹, den du für mich gespielt hast, in der Nacht, als ich auf Gideons Ranch festgehalten wurde? Unser, äh, Empfang war plötzlich weg.« Ich lasse lieber unerwähnt, dass Jim das Radio gegen die Tür geworfen hat.
    »Ich spiel’s noch mal am Schluss der nächsten Sendung.«
    »Sag es mir doch einfach.«
    »So funktioniert das nicht. Wie fühlst du dich?«
    Der plötzliche Themenwechsel lässt mich seufzen. Ich werde schon noch bekommen, was ich von ihm will. Aber er bestimmt, wann. »Es tut ein bisschen weh, wenn ich den Kopf bewege. Ansonsten ist alles okay.«
    »Gut. Aber das ist nicht, was ich wissen wollte.«
    Vor uns schießt ein Kaninchen über die Fahrbahn. Auf halbem Weg ändert es seine Meinung und springt zurück ins hohe Gras.
    »Ich fühle mich dumm. Ich habe gewusst, dass mein Vater mich anlügt. Ich dachte aber, es ginge nur um seine Frau, und darum, ob er mit ihr Kinder hat oder nicht. Ich hätte einfach alle Teile des Puzzles zusammensetzen sollen, dann wär’s klar gewesen.«
    »Du musstest viele Dinge im Kopf behalten. Schließlich musstest du den Trickbetrug vorbereiten.«
    »Ich hätte David vor meinem Vater warnen müssen. Dad hat ein ausgesprochenes Talent dafür, aus anderen Geständnisse herauszuholen.«
    »Menschen fühlen sich eben besser, wenn sie ihre dunkelsten Sünden mit jemandem teilen können. Sie fühlen sich erleichtert.«
    Shane hat Recht. Jetzt, wo die Stunde des Adrenalins und des Heldentums vorbei ist, liegt mir das, was ich am heutigen Tag getan habe, wie ein Stein im Magen. Ich kann es ungeschehen machen. Aber der Stein in meinem Magen wird erst verschwinden, wenn ich es Shane beichte. Selbst auf die Gefahr hin, ihn zu verlieren.
    Mein Handy klingelt. Franklin.
    »Schätze, Sie möchten gern informiert werden«, sagt er. »David geht’s gut. Er bleibt über Nacht im Krankenhaus. Aber er braucht keine weiteren chirurgischen Eingriffe.«
    »Was haben Sie den Ärzten erzählt, das passiert ist?«
    »Dass David von einem Pitbull angegriffen wurde.«
    »Haben die Ihnen das geglaubt? David ist immerhin der Typ, der behauptet, einen Vampir-Sender zu betreiben.«
    »Spulen Sie mal zurück und hören sich den letzten Satz noch einmal ganz in Ruhe an. Das dürfte Ihre Frage beantworten.«
    Nach zwei Monaten beim Sender
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