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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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festzustellen, die sich auf dem erblaßten Gesichte Pierres malte. Als er fort war, als auch Narcisse mit einem leichten Händedruck sich verabschiedet hatte und der junge Priester nun allein war, fühlte er eine dumpfe, zornige Empfindung des Protestes in sich aufsteigen. Die gute Stimmung, in der er sich befand! Was für eine gute Stimmung? Hoffte dieser Nani, ihn müde zu machen, ihn zur Verzweiflung zu treiben, indem er ihn immer wieder an Hindernisse stoßen ließ, um ihn dann ganz leicht zu besiegen? Zum zweitenmale hatte er das plötzliche, flüchtige Gefühl, daß rings um ihn heimlich Anstrengungen gemacht würden, um ihn zu umzingeln und zu zerbrechen. Aufflutender Stolz ließ ihn geringschätzig darauf herabsehen; er glaubte fest an seine Widerstandskraft. Abermals schwor er sich, nie nachzugeben, sein Buch nie zurückzuziehen, was immer auch geschehen mochte. Wenn man bei einem Entschluß verharrt, ist man unbezwinglich. Was liegt an den Entmutigungen und Bitterkeiten! Aber ehe er den Platz überschritt, hob er noch einmal den Blick zu den Fenstern des Vatikans auf, und alles faßte sich ihm zusammen: es blieb nichts übrig als dieses Geld, dessen schweres, notwendiges Gewicht die letzte Fessel war, die den heutigentags von den niedrigen Sorgen der weltlichen Herrschaft befreiten Papst noch an die Erde fesselte – dieses Geld, das ihn verpflichtete, das vor allem durch die Art, in der es gegeben ward, etwas Schlechtes geworden war. Dann wurde er trotzdem wieder froh gestimmt, indem er bedachte, daß, wenn darin einzig und allein eine Begriffsfrage lag, sein Traum von einem rein geistigen Papst, der das Gesetz der Liebe, das geistige Haupt der Welt sei, nicht ernstlich gefährdet werde. In der glücklichen Erregung über das außerordentliche Schauspiel, das er gesehen hatte, wollte er nichts mehr als hoffen: ja, dieser schwächliche Greis strahlte wie das Symbol der menschlichen Befreiung; die Mengen gehorchten ihm und beteten ihn an, und einzig in seiner Hand lag die moralische Allmacht, endlich Liebe und Frieden auf Erden regieren zu lassen. Glücklicherweise besaß Pierre für die Zeremonie am nächsten Tage eine rosa Karte, die ihm einen Platz auf einer reservirten Tribüne sicherte; denn das Gedränge vor den Thoren der Basilika war von sechs Uhr morgens ab entsetzlich. Man hatte die Vorsicht gehabt, das Gitter bereits zu dieser Stunde zu öffnen, obwohl die Messe, die der Papst in eigener Person lesen sollte, erst auf zehn Uhr angesetzt war Die Zahl der dreitausend Gläubigen, aus denen der internationale Pilgerzug des Peterspfennigs bestand, wurde von allen zurzeit in Italien weilenden Touristen verzehnfacht, da sie alle nach Rom geeilt waren, um eine jener großen, nun so seltenen päpstlichen Feierlichkeiten zu sehen. Dazu kam noch Rom selbst, die Gläubigen, die Anhänger, die der Heilige Stuhl dort, wie in den anderen großen Städten des Königreiches besaß, und die sich alle beeilten, zu demonstriren, sobald sich nur eine Gelegenheit dazu bot. Nach der Anzahl der ausgegebenen Karten machte man sich auf einen Zufluß von vierzigtausend Zuschauern gefaßt. Als nun Pierre um neun Uhr über den Platz schritt, um sich von der Via S. Marta zur Porta Canonica zu begeben, wo die rosa Karten abgenommen wurden, da sah er noch unter dem Portikus der Fassaden den endlosen Schweif, der sich sehr langsam vorwärts bewegte. Herren im schwarzen Frack, Mitglieder eines katholischen Klubs, liefen in der Sonne hin und her, um mit Hilfe einer Abteilung päpstlicher Gendarmen die Ordnung aufrecht zu erhalten. Mehrmals entstand in der Menge heftiger Streit, und inmitten unfreiwilligen Gedränges wurden sogar Fauststöße gewechselt. Es herrschte eine erstickende Hitze; zwei Frauen wurden halb zerquetscht vom Platze getragen.
    Beim Eintritt in die Basilika wurde Pierre unangenehm überrascht. Das ungeheure Schiff war ganz bekleidet. Ueberzüge aus altem, rotem Damast mit goldenen Tressen umhüllten die fünfundzwanzig Meter hohen Säulen und Pilaster, und auch die Verlängerung der Seitenschiffe war mit demselben Stoff verhüllt. Das Verstecken dieses prunkhaften Marmors, dieser ganzen, blendenden Ausschmückung unter dieser alten, verblichenen Seide bewies wirklich einen seltsamen Geschmack und machte den Eindruck eines erkünstelten und armseligen Putzes. Aber er erstaunte noch mehr, als er bemerkte, daß auch die Bronzestatue des St. Petrus gleich einem lebenden Papst mit prächtigen päpstlichen Gewändern
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