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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine
Autoren: Terry Pratchett
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sich eine Zigarette rollte. »Ich habe allerdings keine Ahnung, was es bedeutet, wenn solche Worte von ihm kommen. Vermutlich ist es eine seiner Launen.«
    Der andere Anwesende nickte nur. Er hatte den Mund voll.
    »Die Angelegenheit mit seiner Tochter«, fuhr Albert fort. »Ich meine… Tochter? Und dann erfuhr er von Lehrlingen. Er brauchte überhaupt keinen, aber er mußte unbedingt los und sich einen besorgen! Ha! Dadurch gab’s nur Ärger. Und was dich betrifft… auch du bist das Ergebnis einer seiner Launen. Nichts für ungut«, fügte er hinzu, als er sich daran erinnerte, wem seine Worte galten. »Mit dir ist soweit alles in Ordnung. Du erfüllst deine Pflicht.«
    Wieder ein Nicken.
    »Er versteht’s immer falsch«, sagte Albert. »Genau da liegt das Problem. Weißt du noch, als er von Silvester erfuhr? Erinnerst du dich daran? Wir mußten alles den ›Traditionen gemäß‹ vorbereiten. Girlanden und der ganze Kram. Und er trug einen Papierhut mit der Aufschrift IST DAS LUSTIG? Ich schenkte ihm Nippes für den Schreibtisch, und er gab mir einen Ziegelstein.«
    Albert hob die Zigarette zum Mund. Sie war meisterhaft gerollt. Nur ein Experte konnte so dünne und gleichzeitig so feuchte Zigaretten rollen.
    »An dem Ziegelstein gab es nichts auszusetzen. Ich habe ihn noch irgendwo.«
    QUIEK, kommentierte der Rattentod.
    »Da hast du vollkommen recht«, bestätigte Albert. »Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Er versteht einfach nicht, worum es geht. Und er kommt über gewisse Dinge nicht hinweg. Weil er nie etwas vergißt.«
    Er saugte an der Zigarette, bis ihm die Augen tränten.
    »›Worauf läuft eigentlich alles hinaus? Wo liegt der Sinn des Ganzen?‹« Albert seufzte. »Meine Güte…«
    Aus reiner menschlicher Angewohnheit sah er zur Küchenuhr. Seit er sie gekauft hatte, bewegten sich ihre Zeiger nicht mehr.
    »Um diese Zeit ist er meistens zu Hause«, sagte er. »Was ihn wohl aufgehalten haben mag… Nun, ich bereite besser das Tablett für ihn vor.«
     
    Der heilige Mann saß unter einem heiligen Baum. Seine Hände ruhten auf den Knien der überkreuzten Beine. Er hielt die Augen geschlossen, um sich besser auf das Unendliche zu konzentrierten. Seine Kleidung bestand nur aus einem Lendenschurz, als Zeichen der Geringschätzung scheibenweltlicher Dinge.
    Vor ihm stand ein Holznapf.
    Nach einer Weile spürte er, daß er beobachtet wurde. Ein Lid neigte sich langsam nach oben.
    Eine kaum erkennbare Gestalt saß in der Nähe. Später war er sicher, daß es… jemand gewesen war. An das Aussehen konnte er sich nicht genau erinnern, aber er zweifelte nicht daran, daß die Person ein Erscheinungsbild gehabt hatte. Sie war etwa so groß gewesen, und außerdem… ungefähr…
    ENTSCHULDIGUNG.
    »Ja, mein Sohn?« Der heilige Mann runzelte die Stirn. »Du bist doch männlichen Geschlechts, oder?«
    ICH GLAUBE SCHON. MEHR ODER WENIGER.
    »Nun?«
    ANGEBLICH WEISST DU ALLES.
    Der heilige Mann öffnete auch das andere Auge.
    »Das Geheimnis der Existenz besteht darin, weltliche Bindungen zu verachten, die Chimäre materieller Werte zu meiden und die Einheit mit dem Unendlichen anzustreben«, erklärte er. »Und daß mir deine Diebesfinger nicht den Bettelnapf anrühren!«
    Der Anblick des Bittstellers bereitete ihm Unbehagen.
    ICH HABE DIE UNENDLICHKEIT GESEHEN, sagte der Fremde. SIE IST NICHTS BESONDERES.
    Der heilige Mann blickte sich um.
    »Sei nicht dumm«, erwiderte er. »Die Unendlichkeit kann man nicht sehen. Weil sie unendlich ist.«
    ICH HABE SIE TROTZDEM GESEHEN.
    »Na schön. Beschreib sie mir.«
    SIE IST BLAU.
    Der heilige Mann rutschte nervös hin und her. So sollte es eigentlich nicht ablaufen. Ein kurzer Hinweis auf das Unendliche und ein demonstrativer Wink in Richtung Bettelnapf – das genügte in den meisten Fällen.
    »Sie ist schwarz«, murmelte er.
    NICHT VON AUSSEN BETRACHTET, widersprach der Fremde. DER NACHTHIMMEL IST SCHWARZ. ABER DAS IST NUR RAUM. DIE UNENDLICHKEIT GLÄNZT BLAU.
    »Weißt du auch, welches Geräusch eine klatschende Hand macht?« fragte der heilige Mann gehässig.
    JA. KL. DIE ANDERE HAND BESORGT DAS ATSCH.
    »Ah-ha, nein, da irrst du dich.« Der heilige Mann fühlte sich jetzt wieder auf sicherem Terrain. Er hob eine dürre Hand und bewegte sie hin und her. »Na bitte. Alles bleibt still.«
    DU HAST NICHT GEKLATSCHT, NUR MIT DER HAND HERUMGEFUCHTELT.
    »Ich habe geklatscht, allerdings nur mit einer Hand. Welche Art von Blau?«
    ES WAR KEIN KLATSCHEN, NUR
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