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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine
Autoren: Terry Pratchett
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später gesellte sich ein anderes Geräusch hinzu. Es klang wie jemand, der schluchzte und nicht wollte, daß man ihn schluchzen hörte. Susanne weinte ziemlich lange – sie hatte eine Menge nachzuholen.
    Hoch über der Welt nickte Tod. Man konnte Unsterblichkeit wählen oder sich für das menschliche Wesen entscheiden.
    Wie auch immer: Man mußte die Wahl selbst treffen.
     
    Der letzte Tag des Schuljahres war besonders chaotisch. Einige Mädchen brachen schon früh auf; es kamen viele Eltern aus verschiedenen Völkern; und es fand kein Unterricht statt. An diesem besonderen Tag durften die Internatsregeln großzügig ausgelegt werden.
    Susanne, Gloria und Prinzessin Jade wanderten zur Blumenuhr. Sie zeigte ein Viertel vor Gänseblümchen an.
    Susanne fühlte sich leer und gleichzeitig gespannt wie die Sehne eines Bogens. Es überraschte sie, daß keine Funken von ihren Fingerspitzen stoben.
    Gloria hatte in der Dreirosenstraße eine Tüte mit gebackenem Fisch gekauft. Der Geruch von heißem Essig und massivem Cholesterin löste sich vom Papier, diesmal ohne das Aroma von gebratener Fäulnis, das den Produkten jenes Ladens normalerweise anhaftete.
    »Mein Vater meint, ich soll heimkehren und einen Troll heiraten«, sagte Jade. »He, wenn du leckere Gräten findest… ich nehme sie gern.«
    »Kennst du ihn?« fragte Susanne.
    »Nein. Aber mein Vater hat mir erzählt, daß er einen hübschen großen Berg besitzt.«
    »Ich würde mich an deiner Stelle nicht damit abfinden«, sagte Gloria mit vollem Mund. »Dies ist das Jahrhundert des Flughunds. Sag deinem Vater die Meinung und betone, daß du dir deinen Zukünftigen selbst aussuchen möchtest. Was hältst du davon, Susanne?«
    »Wie bitte?« erwiderte Susanne, die in Gedanken ganz woanders gewesen war. Als ihre Freundinnen alles wiederholt hatten, sagte sie: »Nein. Ich würde mir den Mann zunächst mal ansehen. Vielleicht ist er ganz nett. Und dann wäre der Berg eine zusätzliche Prämie.«
    »Ja«, murmelte Gloria. »Logisch. Hat dir dein Vater ein Bild geschickt, Jade?«
    »Ja, das hat er«, bestätigte die Trollin.
    »Und?«
    »Nun, in dem Berg gibt es einige interessante Felsspalten«, sagte Jade nachdenklich. »Außerdem einen Gletscher, der nicht einmal im Hochsommer schmilzt.«
    Gloria nickte anerkennend. »Klingt nach einem attraktiven Burschen.«
    »Aber mir hat schon immer ein ganz bestimmter Troll aus dem Nachbarort gefallen. Mein Vater verabscheut ihn. Wie dem auch sei: Er arbeitet hart und spart. Inzwischen hat er fast genug für eine eigene Brücke.«
    Gloria seufzte. »Manchmal ist es schwer, eine Frau zu sein.« Sie stieß Susanne an. »Möchtest du etwas Fisch?«
    »Nein, danke. Ich habe keinen Appetit.«
    »Schmeckt wirklich gut. Ist nicht annähernd so faul wie sonst.«
    »Nein.«
    Gloria gab ihr noch einen Stoß.
    »Vielleicht möchtest du dir selbst was holen, hm?« Die Zwergin lächelte hinter ihrem Bart.
    »Warum sollte ich das?«
    »Oh, heute sind schon viele Mädchen in dem Laden gewesen.« Gloria beugte sich ein wenig näher. »Wegen des neuen Jungen, der dort arbeitet. Wirkt sehr elvisch .«
    Irgend etwas in Susanne klimperte.
    Sie stand auf.
    » Das hat er also gemeint! Dinge, die noch nicht geschehen sind .«
    »Was?« fragte Gloria. »Wer?«
    »Der Laden in der Dreirosenstraße?«
    »Ja.«
     
    Die Tür stand offen. Der Zauberer hatte einen Schaukelstuhl auf die Schwelle geschoben und schlief darin im Sonnenschein.
    Ein Rabe hockte auf seinem Hut. Susanne blieb stehen und starrte den Vogel finster an.
    »Möchtest du vielleicht einen Kommentar abgeben?«
    »Krah, krah«, machte der Rabe und plusterte sich auf.
    »Gut«, brummte Susanne.
    Sie ging weiter und spürte, wie sie errötete. Hinter ihr sagte jemand »Ha«. Sie achtete nicht darauf.
    Ein Schemen huschte durch den Rinnstein.
    Eine Stimme erklang hinter einer zerknüllten Einkaufstüte: SNH, SNH, SNH.
    »O ja, sehr komisch«, zischte Susanne.
    Sie ging weiter.
    Immer schneller. Schließlich lief sie.
     
    Tod lächelte, legte das Vergrößerungsglas beiseite und wandte sich von der Scheibenwelt ab. Alberts Blick ruhte auf ihm.
    ICH HABE NUR NACH DEM RECHTEN GESEHEN, sagte er.
    »Ja, Herr«, erwiderte Albert. »Ich habe Binky gesattelt.«
    DU VERSTEHST DOCH, DASS ICH AB UND ZU NACH DEM RECHTEN SEHEN MUSS, ODER?
    »Natürlich, Herr.«
    WIE FÜHLST DU DICH JETZT?
    »Gut, Herr.«
    HAST DU NOCH DIE FLASCHE?
    »Ja, Herr.« Sie ruhte auf dem Bücherbord in Alberts Schlafzimmer.
    Er
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