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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine
Autoren: Terry Pratchett
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Susanne. »Die im Obstgarten. Ich meine… sie war gut. Ja, eine gute Schaukel.«
    WIRKLICH?
    »Wenn ich damals darüber gelacht habe… ich war einfach zu jung.«
    HAT SIE DIR TATSÄCHLICH GEFALLEN?
    »Sie hat… Stil. Bestimmt gibt es keine anderen Kinder, die jemals eine solche Schaukel benutzen konnten.«
    DANKE.
    »Aber… das alles ändert nichts, weißt du. Die Welt ist noch immer voller dummer Leute. Sie verzichten darauf, ihr Gehirn zu benutzen. Sie scheinen überhaupt nicht klar denken zu wollen.«
    UND BEI DIR LIEGT DER FALL ANDERS?
    »Ich bemühe mich wenigstens. Zum Beispiel… wenn ich während der letzten Tage unterwegs war – wer liegt dann in meinem Bett?«
    ICH GLAUBE, DU BIST NUR NACH DRAUSSEN GEGANGEN, UM IM MONDSCHEIN SPAZIERENZUGEHEN.
    »Oh. Dann ist ja alles bestens.«
    Tod hüstelte.
    ÄH, WENN ICH DICH UM ETWAS BITTEN DÜRFTE…
    »Ja?«
    NUN, EIGENTLICH IST ES LÄCHERLICH, ABER…
    »Ich bin ganz Ohr.«
    HAST DU VIELLEICHT EINEN… ÄH… KUSS FÜR DEINEN GROSSVATER ÜBRIG?
    Susanne starrte ihn groß an.
    Das blaue Glühen in Tods Augen wurde schwächer und sog den Blick des Mädchens an. Susanne sah in die leeren Augenhöhlen, fühlte sich in die Schwärze dahinter gezogen…
    … in eine Dunkelheit ohne Grenzen. Es gab kein passendes Wort, um sie zu beschreiben. Selbst die Ewigkeit entsprach einer menschlichen Vorstellung. Allein daß ein Name existierte, deutete auf eine Länge hin, wenn auch auf eine ziemlich lange. Diese Finsternis dagegen war dort, wo die Ewigkeit aufgab. Sie existierte da, wo Tod lebte. Allein.
    Susanne hob die Arme, zog den Kopf ihres Großvaters nach unten und küßte ihn auf den Kopf. Er war glatt und elfenbeinweiß wie eine Billardkugel.
    Sie drehte sich um und sah wieder zu den dunklen Gebäuden, um ihre Verlegenheit zu verbergen.
    »Hoffentlich habe ich daran gedacht, ein Fenster offenzulassen.«
    Eine Sache beschäftigte sie immer noch. Sie mußte Bescheid wissen, auch wenn es sie ärgerte, danach zu fragen. »Äh, die Leute, die ich… äh… kennengelernt habe… sehe ich sie jemals wieder…?«
    Sie wandte sich um, doch hinter ihr stand niemand. Sie sah nur zwei Hufabdrücke auf dem Kopfsteinpflaster und beobachtete, wie das Glühen verschwand.
    Alle Fenster waren geschlossen. Susanne trat zur Tür und ging im Dunkeln die Treppe hoch.
    »Susanne!«
    Das Mädchen spürte, wie es aus einem Reflex heraus unsichtbar zu werden begann. Es unterdrückte die Reaktion. Das war nie nötig gewesen.
    Eine Gestalt stand am Ende des Durchgangs, in einem Kreis aus Lampenlicht.
    »Ja, Frau Anstand?«
    Die Rektorin sah zu ihr und schien auf etwas zu warten.
    »Ist alles in Ordnung mit dir, Frau Anstand?«
    Die Lehrerin faßte sich. »Wir haben schon nach Mitternacht, jawohl! Und du liegst nicht im Bett! Schäm dich! Und du trägst nicht deine Internatsuniform!«
    Susanne blickte an sich herab. Es war immer schwierig, alle Details richtig hinzubekommen. Sie trug nach wie vor das schwarze Kleid mit Spitzenbesatz.
    »Ja«, bestätigte sie. »Du hast recht.« Sie bedachte die Rektorin mit einem strahlenden Lächeln.
    »Weißt du, es gibt so etwas wie Internatsregeln«, sagte Frau Anstand, doch sie klang ein wenig unsicher.
    Susanne klopfte ihr auf den Arm. »Ich schätze, es sind keine Regeln in dem Sinne, eher Richtlinien, nicht wahr, Eulalie?«
    Frau Anstand öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. Und Susanne stellte nun fest, daß die Lehrerin eigentlich recht klein war. Sie wirkte groß, hatte eine große Stimme und ein großes Gebaren. Man konnte sie praktisch in jeder Hinsicht als groß bezeichnen – die Ausmaße ihres Körpers bildeten die einzige Ausnahme. Erstaunlicherweise hatte sie es bisher geschafft, diese Tatsache zu verheimlichen.
    »Ich gehe jetzt besser zu Bett«, sagte Susanne, während ihre Gedanken auf einem Parkett aus Adrenalin tanzten. »Und dir empfehle ich, dich ebenfalls zur Ruhe zu legen. In deinem Alter sollte man um diese Zeit nicht durch zugige Flure wandern. Außerdem ist morgen der letzte Schultag. Du möchtest bestimmt nicht müde aussehen, wenn die Eltern eintreffen.«
    »Äh… ja. Ja. Danke, Susanne.«
    Das Mädchen schenkte der verwirrten Rektorin noch ein herzliches Lächeln und ging dann in den Schlafsaal, wo sie sich im Dunkeln entkleidete und unter die Decke schlüpfte.
    Es war still – abgesehen vom gleichmäßigen Atmen der anderen neun Schülerinnen und dem lawinenartigen Schnaufen der schlafenden Prinzessin Jade.
    Kurze Zeit
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