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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine
Autoren: Terry Pratchett
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er erkannte: Für seinen Diener existierte die Strecke überhaupt nicht…
    »Ich habe dir Kamillentee gebracht, Herr«, sagte Albert.
    HMM?
    »Herr?«
    ENTSCHULDIGE. ICH BIN GANZ IN GEDANKEN GEWESEN. WAS HAST DU GESAGT?
    »Kamillentee?«
    ICH DACHTE, AUS KAMILLE MACHT MAN SEIFE.
    »Seife und auch Tee, Herr«, erwiderte Albert. Besorgnis erfaßte ihn. Er war immer besorgt, wenn Tod begann, über Dinge nachzudenken. In seinem Job war zu häufiges Nachdenken unangebracht. Außerdem dachte er auch noch auf die falsche Art nach.
    AUSGESPROCHEN NÜTZLICH. SOWOHL DRINNEN ALS AUCH DRAUSSEN SAUBER.
    Tod stützte wieder das Kinn auf die Hand.
    »Herr?« fragte Albert nach einer Weile.
    HMM?
    »Der Tee wird kalt, wenn du ihn stehenläßt.«
    ALBERT…
    »Ja, Herr?«
    ICH HABE ÜBERLEGT…
    »Herr?«
    WORAUF LÄUFT EIGENTLICH ALLES HINAUS? ICH MEINE, WENN MAN GENAU DARÜBER NACHDENKT: WO LIEGT DER SINN DES GANZEN?
    »Oh. Äh. Ich weiß es nicht, Herr.«
    ICH WOLLTE ES NICHT, ALBERT. DAS WEISST DU. MIR IST JETZT KLAR, WAS SIE MEINTE. UND ES GEHT NICHT NUR UM DIE KNIE.
    »Wie bitte, Herr?«
    Keine Antwort.
    Albert blickte zurück, als er die Tür erreichte. Tod starrte wieder ins Nichts. Niemand konnte so gut starren wie er.
     
    Nicht gesehen zu werden… das war kein Problem. Weitaus problematischer waren jene Dinge, die sie immer wieder sah.
    Die Träume. Natürlich konnten es nur Träume sein. Susanne wußte, was die modernen Theorien behaupteten: Sie definierten Träume als Bilder, die entstanden, während das Gehirn die Ereignisse des Tages verarbeitete. Sie wäre bereit gewesen, eine solche Erklärung zu akzeptieren, wenn diese Ereignisse des Tages jemals fliegende weiße Pferde, große dunkle Zimmer und jede Menge Totenschädel beinhaltet hätten.
    Wenigstens waren es nur Träume. Susanne hatte auch andere Dinge gesehen, zum Beispiel eine seltsame Frau im Schlafsaal. Sie erschien in jener Nacht, als Rebecca Scharf einen Zahn unter ihr Kissen legte. Die Frau kam durchs offene Fenster und blieb am Bett stehen. Sie sah fast wie ein Milchmädchen aus und wirkte überhaupt nicht furchterregend, obwohl sie durch die Möbel schritt. Münzen klirrten. Am nächsten Morgen fehlte der Zahn, und Rebecca war um 50 Ankh-Morpork-Cent reicher.
    Susanne verabscheute so etwas. Sie wußte, daß labile Personen von der Zahnfee erzählten, was noch lange nicht bedeutete, daß auch eine existieren mußte. Derartige Überzeugungen deuteten auf wirre Gedanken hin. Von wirren Gedanken hielt sie nichts – und Frau Anstand hielt so etwas für besonders schlechtes Benehmen.
    Eigentlich war die Herrschaft von Frau Eulalie Anstand gar nicht so übel. Sie und ihre Kollegin Frau Delokus hatten das Internat auf der Basis einer erstaunlichen Idee gegründet: Da es für Mädchen kaum etwas zu tun gab, bis sie geheiratet wurden, konnten sie sich die Zeit damit vertreiben, etwas zu lernen.
    Es gab viele Schulen auf der Scheibenwelt, aber sie wurden entweder von Kirchen oder Gilden geleitet. Frau Anstand glaubte, daß sich Kirchen nicht mit Logik vereinbaren ließen, und sie bedauerte es, daß nur zwei Gilden Mädchen ausbildeten: die Diebe und die Näherinnen. Dort draußen wartete eine große und gefährliche Welt; es konnte sicher nicht schaden, wenn junge Damen ihr mit fundiertem Wissen in Geometrie und Astronomie unter dem Mieder gegenübertraten.
    Frau Anstand vertrat den Standpunkt, daß es zwischen Mädchen und Jungen eigentlich gar keinen Unterschied gab.
    Zumindest keinen nennenswerten.
    Beziehungsweise keinen, über den Frau Anstand reden wollte.
    Deshalb hatte sie sich zur Aufgabe gemacht, bei den ihr anvertrauten jungen Damen logisches Denken und einen forschenden Geist zu stimulieren. Das war etwa ebenso klug wie die Absicht, hungrige Alligatoren in einem Boot aus Pappe zu jagen.
    Wenn Frau Anstand mit bebendem Kinn von den Gefahren in der Stadt berichtete, so gelangten dreihundert mit einem forschenden Geist ausgestattete Mädchen zu dem Schluß, daß darüber so schnell wie möglich gründliche Untersuchungen stattfinden mußten. Logisches Denken führte außerdem zu der Frage, woher Frau Anstand von solchen Dingen wußte. Die hohen, mit Eisenspitzen versehenen Mauern des Internats waren keineswegs unüberwindlich für jemanden, der sich mit Trigonometrie auskannte und dessen Körper durch Fechten, viel Gymnastik und kalte Bäder bestens vorbereitet war.
    Wenn Frau Anstand von Gefahren sprach, wurden sie erst richtig interessant.
    Soviel zu
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