Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rolf Torring 116 - Der Schwarze von Hongkong

Rolf Torring 116 - Der Schwarze von Hongkong

Titel: Rolf Torring 116 - Der Schwarze von Hongkong
Autoren: Hans Warren
Vom Netzwerk:
Jacht wohnen zu bleiben. Wenn die Räume, die uns hier zur Verfügung standen, auch nicht fürstlich eingerichtet waren, so hatten sie für uns doch ihre Gemütlichkeit. Vor allem waren wir an sie gewöhnt und konnten uns in ihnen zu Hause fühlen. In den großen Luxushotels weiß man nie, wie man es antrifft. Man bleibt immer Gast, der jede Handreichung bezahlen muß, und wir zogen es vor, sozusagen auf eigenem Grund und Boden unser eigener Herr zu bleiben, als Objekt einer Hotelmaschine zu werden, deren dienende Helfer dem Gaste sicherlich mit aller nur erdenklichen Aufmerksamkeit entgegenkamen, aber doch im Grunde nur darauf ausgingen, „money zu machen“, zu verdienen.  
      Wir wollten uns zunächst die Stadt gründlich ansehen und dann den Fischer, an den wir gewiesen waren — er wohnte außerhalb der Stadt —, besuchen. Der Polizeipräsident von Haiphong hatte uns Namen und Adresse gegeben und eine vage Andeutung gemacht, daß wir durch den Fischer etwas erfahren würden, das für uns von großem Interesse sei (siehe Band 115: „Kayser, der Chinese").  
      Wir nahmen auf der Jacht noch das Mittagessen ein, das unser Chinesenboy Li Tan, der sich unter Pongos Anleitung allmählich zu einem patenten Koch ausgebildet hatte, mit aller Liebe zubereitet hatte, und verließen dann unser Boot, um durch die Stadt zu schlendern.  
      Vollkommen europäischen Stil — vielleicht schon mit leisem amerikanischen Einschlag — weisen die riesigen Granitbauten an der Werft auf. Das prächtige Standbild der Königin Victoria ist im Stil um die Jahrhundertwende geformt. Die Kaufhäuser und Einzelhandelsgeschäfte, reicher und vornehmer ausgestattet als in den meisten europäischen Hafenstädten von Weltruf, erinnerten überhaupt nicht daran, daß man sich letztlich auf chinesischem Boden befand, wenn die Straßen nicht von einem Völkergemisch belebt gewesen wären, in dem sich der chinesisch-mongolische Einschlag nicht unterdrücken ließ. Das weiße Element genoß natürlich überall Vorrangstellung.  
      Je weiter wir uns vom Hafen entfernten, desto mehr veränderte sich das Bild. Die Peddarstraße ist rein englisch, auf den Höhen lebt China.  
      Parallel zur Peddarstraße ziehen sich andere Straßen den Hügel hinan, die da und dort durch schmale Gassen miteinander verbunden sind. Da ist ein Laufen, Rennen und Rufen, daß man sich in eine ganz neue, eigenartig fremde Welt versetzt glaubt. Fremdartig wirken die Häuser, fremdartig die Menschen, fremdartig die Waren, die sie feilbieten.  
      Die Läden sind nach der Straße zu offen. In ihnen kann man die Handwerker bei ihrer Tätigkeit beobachten: Schuster, Schneider, Wäscher, Schlosser, Schreiner, Stellmacher, Maler. Aber auch Berufe werden hier ausgeübt, die man in europäischen Städten höchstens auf dem Balkan findet. Da ist der nicht schlecht bezahlte Beruf des Schreibers, der mit federgewandter Sicherheit amtliche Schriftstücke ebenso aufsetzt, wie er geschäftliche Korrespondenz für schreibunkundige Chinesen erledigt und gleicherweise Liebesbriefe in der blumig-zärtlichen Sprache des chinesischen Volkes abfaßt. Und Näherinnen arbeiten da, sie sind so zahlreich, daß man annehmen müßte, jede einzelne Chinesin hätte ihre eigene Schneiderin. Kunstmaler pinseln ihre Tuschbilder, schwarz auf weiß und farbig, auf Papier, Pergament und Seide; sie haben die zu bemalenden Materialien auf der Erde liegen, sie knien oder liegen während der Arbeit, die mit erholsamer Bedächtigkeit vor sich geht. So geschäftig sich das handwerklich-berufliche Leben in diesen Straßen abspielt, die Kunstmaler sind die Ruhepunkte, an ihnen scheint die Zeit spurlos vorüberzugehen. Sie mischen mit Sorgfalt und liebevoller Beschaulichkeit die Farben, waschen die Pinsel mit einer Gründlichkeit, daß man Hunger bekommt, wenn man vor dem Laden eines Kunstmalers stehenbleibt, um ihm bei der Arbeit zuzusehen, und gewinnt den Eindruck, daß die auf solche Weise geschaffenen Kunstwerke mit einem unerhörten Preis bezahlt werden müßten, damit die Schöpfer der Werke überhaupt leben können. Wenn man dann nach dem Preise fragt, ist man erschrocken über den niedrigen Betrag, den sie verlangen, zumal wenn man weiß, daß die erste Forderung meistens das Doppelte beträgt von dem Preis, den man gewöhnlich erhandelt. Nur die Bescheidenheit, die einfache, genügsame Lebensweise ermöglicht es ihnen, existenzfähig zu bleiben.  
      Der Zopf der Männer herrscht auch heute
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher