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Rolf Torring 098 - Indische Märchen

Rolf Torring 098 - Indische Märchen

Titel: Rolf Torring 098 - Indische Märchen
Autoren: Hans Warren
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Krug mit frischem Wasser, den er vor uns auf den Tisch stellte. Wir waren sehr durstig; aber konnten wir es wagen, hier etwas zu trinken?  
      Rolf setzte, nachdem er den Inder scharf betrachtet hatte, den Krug an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Dann stillten wir unseren Durst.  
      „Wie heißt du?" fragte Rolf den Inder.  
      „Ich habe keinen Namen, Sahib," antwortete der Inder. „Ich bin schon sehr alt und habe meinen Namen vergessen."  
      „Dein Gedächtnis ist also schlecht?"  
      Der Hüttenbewohner nickte.  
      „Das ist gut," lächelte Rolf. „Dann wirst du auch bald vergessen haben, daß wir dich heute besucht haben."  
      Der Alte blickte erstaunt auf und sagte:  
      „So habt Ihr Euch nicht verirrt, sondern seid hierhergekommen, um mit mir zu reden?"  
      „Ja," sagte Rolf. „Unser Geschäft mit dir ist aber der Art, daß wir Wert darauf legen, daß du unseren Besuch bald vergißt."  
      Die Augen des Inders blickten halb neugierig, halb furchtsam.  
      „Wo du wohnst," fuhr Rolf fort, „hat uns jemand verraten, der meinte, daß du der einzige Mensch wärest, der uns helfen könnte. Wir haben einen Feind, der uns — zu lange lebt"  
      Im Gesicht des Inders zuckte kein Muskel, er hob den Kopf ganz ruhig und sagte:  
      „Aber Sahibs, da kann ich doch nichts tun. Wenn Ihr einen Feind habt, der Euch zu lange lebt, so tötet ihn, vielleicht im Streit!"  
      „Das können wir nicht. Der Mann, der uns hierher schickt, war heute erst bei dir. Er meint, du hättest ein Mittel, das so unauffällig wirkt, so daß niemand etwas bemerkt. Wir sind reich und können deine Dienste gut bezahlen."  
      Auch jetzt bemerkte ich keine Veränderung in den Gesichtszügen des Alten. Ganz ruhig erwiderte er:  
      „Was für ein Mittel wünscht der Sahib von mir? Ich sammle viele heilsame Kräuter, die das Leben der Menschen verlängern."  
      „Ich möchte ein Mittel, das das Gegenteil bewirkt," antwortete Rolf, „ein Mittel, das das Leben verkürzt."  
      Der Alte wiegte den Kopf hin und her und tat unschlüssig. Rolf hielt ihm ein Säckchen hin und schüttelte es, so daß der Inhalt klimperte. Da blitzten die Augen des Inders zum ersten Male auf.  
      „Ich werde sehen," sagte der Inder und ging nach der einen Seite des kleinen Raumes.  
      Dort kramte er zwischen Flaschen und Töpfen herum und kam schließlich mit einem Fläschchen zurück, das er Rolf hinhielt.  
      „Hier, Sahib, ist ein gutes Mittel. Es wirkt unfehlbar im Bruchteil einer Sekunde."  
      Rolf schüttelte den Kopf.  
      „Das kann ich nicht brauchen, Alter. Ich brauche ein langsam wirkendes Mittel, das den Geist eines Menschen allmählich trübt."  
      In den Augen des Inders stand offenes Mißtrauen, als fürchtete er ein Ereignis, das eintreten könnte. Aber Rolf wurde nicht verlegen, er sagte sachlich:  
      „Der Mann, der uns herschickt, sagte mir, daß du ein langsam wirkendes Mittel hättest und es uns auch verkaufen würdest. Er war erst heute bei dir, du mußt dich noch darauf besinnen können, auch wenn dein Gedächtnis kurz ist."  
      Der Inder betrachtete Rolf, als wolle er dessen Gedanken lesen.  
      „Beschreibe mir den Mann, Sahib. Ich muß vorsichtig sein."  
      „Die Polizei wird nie etwas erfahren," versicherte Rolf und schilderte James Sullbareck genau, gab auch die Farbe seines Anzuges und seiner Schuhe an.  
      Der Inder hörte aufmerksam zu, dann nickte er und sagte:  
      „Es war der Mann. Ich werde dir das gleiche Mittel geben. Dein Feind darf immer nur drei Tropfen erhalten."  
      Wieder ging der Alte an die Wand und holte eine kleine Flasche. Als er sie Rolf übergab, drückte mein Freund ihm das Säckchen mit Silberstücken in die Hand.  
      „Beschreibe mir die Wirkung des Giftes, Alter"  
      „Gib deinem Feind drei Tropfen davon in Wasser oder in Wein. Wenn er das Getränk zu sich genommen hat, bricht er bewußtlos zusammen. Wenn er erwacht, spricht er wirr. Woran er beim Trinken dachte, das wird zum Wahn, er kann davon nicht mehr lassen. Um das Gift in seinem Körper zu verstärken, mußt du ihm jeden Monat einmal drei Tropfen geben. Langsam verfällt dein Feind, kein Arzt kann ihm mehr helfen. Er stirbt in seinem Wahn. Nie wird jemand die Ursache herausfinden."  
      Rolf dachte eine Weile nach.  
      „Wenn mein Feind nachgibt und ich das von ihm erreiche, was ich erreichen will, so daß ich seinen Tod nicht mehr
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