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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten
Autoren: Olov Svedelid
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Gesicht bläst. Mir war sofort klar, daß ich mich auf eine Schießbudenfigur wie Claes Lundh keinesfalls stützen konnte. Vielleicht weckte er in bestimmten weiblichen Angeklagten Mutterinstinkte, in mir jedenfalls nicht. Das schmale Bürschchen mit dem dünnen Haar und dem flackernden Blick schien direkt aus dem Konfirmandenunterricht zu kommen. Seine Stimme glich dem Kläffen eines kleinen Hundes.
    »Bist du ein Frischling?« erkundigte ich mich.
    »Wie bitte?«
    »Ich meine, seit wann darfst du dich Anwalt nennen?«
    »Seit dem Frühjahr.«
    »Anwalt wird man automatisch, wenn man eine gewisse Anzahl von Jahren als Jurist gearbeitet hat.«
    »Was meinst du damit?«
    »Du arbeitest doch sicher in einer Kanzlei mit mehreren Juristen, oder?«
    »Ja, wir sind acht Anwälte und fünf Kandidaten.«
    »Hast du dich in die Firma eingekauft?«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Spielt keine Rolle. Mach, was du für richtig hältst. Geh davon aus, daß ich unschuldig bin und nicht die leiseste Ahnung habe, warum ich verhaftet wurde. Was der Ankläger auch behauptet, es kann nicht die Spur eines Beweises gegen mich geben.«
    »Du behauptest also, unschuldig zu sein?«
    »Habe ich das nicht eben gesagt? Drücke ich mich so undeutlich aus oder bist du schwer von Begriff?«
    Mit einer schmalen weißen Hand strich er sich über die rotblonden Haarsträhnen und sah mich aus wäßrigen, leicht verunsicherten Augen an.
    »Wir brauchen eine klare Strategie.«
    »Die habe ich dir doch gerade vorgegeben. Protestiere gegen die Verhaftung. Fordere, daß ich unmittelbar auf freien Fuß gesetzt werde. Bestehe darauf, daß Kommissar Axel Ovengren garrottiert wird.«
    »Was?«
    »Das ist eine spanische Hinrichtungsmethode, schön langsam und qualvoll.«
    »Was meinst du damit?«
    Ich seufzte tief.
    »Vergiß es. Laß ihn leben. Er wird sowieso bald an seiner Blödheit zugrunde gehen. Also, protestiere gegen meine Verhaftung und fordere meine Freilassung. Ist die Strategie klar?«
    »Ich tue mein Bestes. Wir werden hören, was der Ankläger in der Sache vorzubringen hat.«
    »Das werden wir mit Sicherheit. Dafür sind wir da, und dafür ist er da. Aber ich erklärte dir ja gerade, daß es falsch, verrückt, absurd und aussichtslos wäre, von der Position der Anklage auszugehen. Du kannst es auch mit inadäquat umschreiben, dann klingst du wenigstens wie ein richtiger Anwalt.«
    Es war Zeit, vor den Haftrichter zu treten. Der Anwalt trabte an meiner Seite, die Vor- und Nachhut wurde durch Vollzugsbeamte gebildet. Gewisse kleinwüchsige und schmächtige Personen verfügen über eine solche Autorität, daß ihre körperliche Unterlegenheit nicht zu spüren ist. Lundh dagegen reckte sich, daß die Wirbelsäule knackte; jeder Zentimeter Körpergröße schien ihm ein Prestigegewinn. Schade, daß sein Gehirn nicht mitwuchs.
    Während des Haftprüfungstermins bekam ich endlich den Staatsanwalt Mattias Edvall zu Gesicht. Auch er war jung und unerfahren, strahlte aber bedeutend mehr Kompetenz aus. Er war davon ausgegangen, daß Ovengren wußte, wovon er sprach, und hatte ihm vertraut.
    Es dauerte ganze fünf Minuten. Edvall teilte dem Haftrichter mit, daß man einen Mann verhaftet habe, der des Bankraubes und des Doppelmordes verdächtigt war. Dieser habe Kriminalinspektor Roland Hassel von der Zentralen Fahndung in Stockholm der Mittäterschaft bezichtigt. Daß es den Kollegen nach zehntausenden Arbeitsstunden gelungen war, einen aus der Bande zu schnappen, freute mich, der Rest natürlich nicht. Aufgrund der schwerwiegenden Verdachtsmomente beantragte Edvall, mich in Untersuchungshaft zu nehmen. Jeder Kontakt zur Außenwelt müsse mir untersagt werden. Lundh kläffte, man solle mich freilassen. Der Richter war anderer Auffassung. Schwuppdiwupp, schon saß ich wieder.
    »Gute Arbeit«, sagte ich zu Lundh auf dem Weg in die Zelle.
    »Mehr war nicht drin.«
    »Kommt darauf an, wie man es betrachtet. Ich meine, du hättest dich etwas mehr ins Zeug legen können.«
    »Ich werde dich im Gefängnis besuchen«, versprach er.
    »Eigentlich wollte ich ja nach Hause gehen«, brummte ich.
    Als Untersuchungshäftling ist man anderen Regeln unterworfen. Niemand wußte, wann ich freikommen würde. Wenn sich die Sache hinzog, konnte ich über Jahre hinweg immer aufs Neue für jeweils vierzehn Tage eingesperrt werden. Wieder war ich wie betäubt, und der Brei drückte sich in die Hirnwindungen. Ich war so sicher gewesen, nach der einen Nacht entlassen zu werden,
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