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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot
Autoren: Marketa Haist
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Küche passierte.
    Der Weihnachtskaktus ist unser einziger Berichterstatter aus dem Gärtnerhaus. Außerdem überblickt er vom Fensterbrett aus die Einfahrt und den Hauseingang. Der Sepp und der Jens würden ihn am liebsten wegschmeißen. Da sind sie sich ausnahmsweise mal einig. Aber das ginge nur über Annis Leiche. Den Weihnachtskaktus hat die Mama von der Anni aus einem Steckling gezogen, und die Anni würde ihn niemals hergeben. Die Mama von der Anni, die Rosi, ist an Krebs gestorben, als die Anni neun Jahre alt war. Der Arzt hat gemeint, es sei die Spätfolge vom Gifteinsatz in der Gärtnerei gewesen. Dem Sepp haben die Spritzmittel anscheinend wenig ausgemacht. »Den bringt nix um«, haben die Reindlfinger immer gesagt. Da haben sie sich getäuscht.
    Vielleicht ist die Rosi auch wegen der Chemikalien erst so spät schwanger geworden, mit fünfunddreißig. Sie und der Sepp haben es jahrelang versucht mit dem Kinderkriegen, doch nie hat es geklappt. Und mit künstlicher Befruchtung oder so einem widernatürlichen Zeugs wollten sie nichts zu tun haben. So was soll man dem lieben Gott überlassen, fand die Rosi. Der liebe Gott hat es schließlich auch gerichtet. Ihnen wurde die Anni geboren. Und dann wurde die Anni eine Halbwaise. Das war lange vor meiner Zeit.
    Der Weihnachtskaktus liebt es, in seinen frühkindlichen Erinnerungen an die Rosi zu schwelgen, aber am Sonntag fand er das Tischgespräch der Gärtnerfamilie interessanter.
    »Pfui Teufel, der Holundermist, hast du nicht was Vernünftiges zum Essen?«, moserte der Jens. Seine Stimmung sank auf den Nullpunkt. Pflanzen verzehrt der Jens nur im äußersten Notfall. Man hat doch schon dadurch genug von dem Grünzeug, dass man Gärtner ist, findet er. Ihn macht nur ein saftiges Steak glücklich, am liebsten mit noch etwas mehr Steak als Beilage. Der Sepp mochte zwar die Hollerkücherl auch nicht, er verzog jedoch keine Miene, als sie vor ihm auf dem Teller lagen, und schluckte brav einen Bissen nach dem anderen herunter. Der Jens beobachtete ihn aufmerksam, ob er nicht doch irgendein Zeichen des Widerwillens erkennen ließe. Für diesen Fall hatte er schon eine Stichelei parat, die er beim bloßen Anflug eines Stirnrunzelns unter Sepps Haaransatz auch sogleich vorbrachte: »Soso, der Holunder ist also die Apotheke vom lieben Gott, weshalb du ihn dort hinten blöd herumstehen und unseren Wasserbegonien das Licht wegnehmen lässt. Aber schmecken tut er dir nicht. Der ist eben zu überhaupt nichts gut.«
    Doch der Sepp reagierte nicht. Eine solche Genugtuung wollte er dem Jens nicht bieten. Weil dieser Schachzug nicht funktionierte, schnitt der Jens ein anderes Thema an, von dem er wusste, dass es den Sepp ärgern würde.
    »Bis jetzt haben wir diese Saison keinen schlechten Umsatz gemacht. Geld wäre also da. Ich habe mich wegen der Topfmaschinen erkundigt und schon eine ausgesucht, die genau auf unseren Betrieb zugeschnitten ist. Damit könnten wir unsere Leistung um ein Vielfaches steigern, Land dazukaufen und vielleicht bald ein neues Gewächshaus bauen.«
    »Geh ma fort mit deine Topfmaschinen. Wo wuist’n de ganzen Pflonzn verkaufa? Do foahrst nacha im Mercedes und Anzügerl mit Krawattn umanand und mochst Werbung, und de Anni liefert aus, und i hock alloa an dera Topfmaschin! Naa, des kommt ma ned in mei Gärtnerei.«
    »Vergiss bitte nicht, dass wir Partner sind und dass es auch Annis und meine Gärtnerei ist. Und die Anni ist sicher meiner Meinung. Oder?«
    Die Anni schwieg. Der Jens deutete das als Zustimmung und fuhr mit seiner Ansprache fort.
    »Wir müssen uns spezialisieren , wir müssen investieren , wir müssen modernisieren , sonst sind wir nicht konkurrenzfähig. Wer seine Marktanteile nicht ausbauen kann, wird verdrängt. Expandieren oder kapitulieren. Kapier’s doch endlich, Mensch!«
    Alle Gärtnereipflanzen kennen Jens’ Kritik an der »Konzeptlosigkeit« vom Sepp so gut wie auswendig. Ihm missfällt, dass es in der Gärtnerei eine kunterbunte Mischung von allem Möglichen gibt. Der Sepp beschäftigt sich durchaus nicht nur mit seinen Rosen, sondern vermehrt auch mal für den Förster die heimischen Buchen, hat ein paar japanische Schlitzahorne für die anspruchsvollen Kunden und ein paar Flieder für die Besitzer der bescheidenen Vorgärten stehen, dazu ein paar Zuckerhutfichten für den Friedhof, kultiviert ein eher zufälliges Sortiment von Stauden und verkauft im Frühjahr Gemüse-Jungpflanzen. Außerdem führt er noch die übliche
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