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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot
Autoren: Marketa Haist
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Massenware, Stiefmütterchen, Geranien und so weiter. Der Jens hält genau das für den Grund, warum der Laden so wenig abwirft. Heutzutage können doch nur Spezialbetriebe überleben, glaubt er: Container-Baumschulen, Sortiment-Baumschulen, Forst-Baumschulen, Blumenzwiebelgärtnereien, Staudengärtnereien, Anzuchtbetriebe, Bio-Gemüsegärtnereien, Gift-Gemüsegärtnereien und so weiter. »Aber versuch das mal dem alten Querkopf beizubringen«, sagte der Jens oft, wenn der Sepp nicht in der Nähe war.
    Vor Aufregung redete der Jens immer schneller. Der Sepp dagegen antwortete betont langsam und brummig: »Geh schleich di mit deine Marktanteile. Wo wuistn noch a Standl aufbaun, auf’m Viktualienmarkt? Langt dir Penzberg nimma? San mir denn im Kriag mi’m Explodieren und Kapitulieren, du geldgiariger Sackl? Mei Dochter host kriagt, mein hoiben Betrieb host kriagt, und den Rest kriagst aa no, wenn i verreck. Langt dir des ned?«
    »Baba, sei doch ned so grantig. Der Jens moant’s doch bloß guat«, versuchte die Anni zu vermitteln.
    »Aha, guat moant er’s? Des Gegenteil von guat is ned bees, sondern guat gmoant! Merkt eich des.« Dann hörte der Weihnachtskaktus die Küchentüre knallen.
    Um die Laune vom Jens zu retten, schlug die Anni vor, zum »Café am Anger« zu gehen.
    Früher hieß das Café »Bäckerei Vilshofer«. Eine Bäckerei ist ein Laden, in dem die Menschen allen möglichen Firlefanz aus den zermalmten Leichen von Gräsersamen kaufen, den sie dann fressen. Zum Glück empfinden Samen nichts und merken nicht, wie man sie behandelt.
    Der Bäcker und seine Frau haben sich vor Kurzem so eine supermoderne Espresso-Cappuccino-Latte-macchiato-Maschine gekauft, in der verkohlte Arabica-Kaffeesamen ihre letzten Duftstoffe aushauchen. Daraufhin wurde die Bäckerei umbenannt. Auf dem Gehsteig haben die Vilshofers ihre Gartenstühle um ein paar modische, runde weiße Plastiktischchen mit Aluminiumbeinen positioniert. Auch in Reindlfing muss die Gastronomie schließlich mit der Zeit gehen. Sie haben auf die Touristen spekuliert, aber was will ein Tourist schon in Reindlfing? Höchstens, dass mal ein paar Mountainbiker vorbeikommen, die für echte »Mountains« nicht fit genug sind. Den Einheimischen dient der Aufenthalt im Café üblicherweise als Vorwand zu einer längeren Angerbeobachtung. Die alteingesessenen Reindlfinger mögen nämlich lieber Filterkaffee, doch den kriegen sie bloß noch zu Hause.
    Der Jens war glücklich, aus der stickigen Atmosphäre des Gärtnerhauses herauszukommen, obwohl er sie selbst mit verursacht hatte, und freute sich schon auf eine italienische Kaffeespezialität.
    Die Anni und er spazierten also halbwegs einträchtig unter den wachsamen Augen der alten Linden vorbei, die am Reindlfinger Anger wachsen. Von der anderen Angerseite her spazierte ihnen die Birgit mit ihrem Kinderwagen entgegen.
    Die Birgit ist die Frau vom Berglmaier junior. Er hat lange suchen müssen, bis er eine gefunden hat, die auf einen Hof will. Aus dem Sauerland ist sie, selbst vom Hof, den aber ihr ältester Bruder erbt. Und gleich nachdem sie hierhergezogen ist – bums, schwanger! Ob das nach der Hochzeit war oder schon vorher, das weiß nur der liebe Gott.
    Am Sonntag schob also die Birgit ganz stolz den Nachwuchs über den Anger, bis sie auf den Jens und die Anni traf. Die Anni musste stehen bleiben, sie konnte nicht anders. Die alten Linden beugten sich mit ihr über das hellblaue Plüschdeckchen.
    »Ach, schaug, Jens, wos für a liabs Zwergerl. Dutzidutzidutzi, bist du siaß! Und wia’s mi olächelt.«
    Der Jens versuchte, sie möglichst unauffällig vom Kinderwagen wegzubugsieren: »Anni, komm, wir haben’s eilig.«
    Sie wehrte sich, ebenfalls möglichst unauffällig. Endlich ließ sie aber vom Baby ab und dackelte frustriert dem Jens hinterher. Als die beiden vor dem »Café am Anger« an einem Tischchen Platz genommen hatten, zischte ihr der Jens ins Ohr: »Sag mal, ist dir das gar nicht peinlich? Du bist ja fast in den Kinderwagen gekrochen! Ich würde mich schämen an deiner Stelle.«
    Die Anni lächelte verträumt in die Lindenkronen hinauf. »Ach, Jens, wär des ned schee, so a kloans Spatzerl? Gib doch zua, dess des schee wär.«
    »Bist du verrückt? Weißt du eigentlich, was Kinder so kosten? Noch dazu wenn sie studieren. Oder willst du etwa, dass sie in der Erde wühlen müssen wie wir? Solange wir den Alten nicht zur Vernunft gebracht haben, ist überhaupt nicht daran zu denken.«
    Die
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