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Verdammte Unschuld

Verdammte Unschuld

Titel: Verdammte Unschuld
Autoren: Carol Grayson
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„Dies ist mein Blut in deinen Adern – Pfand meiner unsterblichen Seele und ewiger Verbundenheit. Doch deine Schuld kann ich dir nicht vergeben.“  
     
    Das kleine gotische Gotteshaus am Rande der Karpaten war bereits vor langer Zeit entweiht worden. In diese trostlose Gegend verirrte sich heute niemand mehr. Eine schmale Allee hatte vor vielen Jahrzehnten einmal zu dieser Kirche und dem angrenzenden Waldfriedhof geführt, selbst diese war inzwischen zugewachsen.
     
    Auf dem früheren Altar aus Steinquadern standen jetzt Kerzenleuchter und Trinkgefäße. Nach wie vor hing der schwere Duft von kaltem Weihrauch in der Luft. Er schien aus den Mauern zu kommen. Dicke Kerzen in gusseisernen Leuchtern erhellten die Seitenwände, und in deren Schein zeigte die alte Kirche einen Hauch ihrer früheren Pracht, obwohl die Farbe der ländlich gemalten Bibelszenen an den einst weiß getünchten Wänden längst abgeblättert war. Eine dünne Strohdecke war über dem steinernen Boden ausgelegt. Kein Kreuz zierte mehr diese Mauern, keine Heiligenfigur die leeren Nischen. Nur die teilweise bunten Fensterscheiben vermittelten noch eine Art religiöse Atmosphäre.
     
    Umgeben von den überwucherten Gräbern des ehemaligen Friedhofes, lebten heute Geschöpfe der Finsternis – zwei Brüder, Sascha und Sergej. Sie waren Zwillinge und glichen einander wie ein Ei dem anderen. Dunkles, an den Seiten leicht gelocktes Haar, zu einem Zopf zusammengebunden. Katzenhafte, schwarzbraune Augen mit übergroßen Pupillen und ein aristokratisches Gesicht mit hohen Wangenknochen, die ihre slawische Herkunft verrieten. Es ging etwas Geheimnisvolles von ihnen aus, etwas Verruchtes und gleichzeitig Verführerisches. Von der äußeren Erscheinung her mochten sie vielleicht gerade mal Zwanzig sein, doch in ihren Augen verlor sich die Zeit wie in einem tiefen Brunnen. Normalerweise trugen Sie schlichte, schwarze Kleidung, die ihre schlanke Gestalt betonte. In den kalten, verschneiten Wintern hüllten sie sich in weite Gehröcke, die an das späte 18. Jahrhundert erinnerten, obwohl sie die eisige Kälte eigentlich gar nicht spüren konnten.
     
    An diesem Abend saßen die beiden jungen Männer wie so oft vor ihrem Schachspiel an dem hölzernen Tisch vor dem Altar. Damit vertrieben sie sich die Zeit, wenn sie nicht gerade auf der Jagd waren. Doch diese Beiden jagten lieber zweibeinige Beute anstatt das Wild in den nahe gelegenen Wäldern. Der Köder, den sie dabei benutzten, waren sie selbst. Es war ihre dunkle Aura, die Jeden in den Bann zog, der ihnen begegnete, dabei lächelten sie nur selten. Ihr Verhalten war eher kühl, bis sie ihr Opfer auserwählt hatten. Daher war ihr bevorzugtes Jagdgebiet die Anonymität der Großstadt, die einige Kilometer Luftlinie entfernt lag. Wer jetzt denkt, dass sich Vampire in Fledermäuse verwandeln, der irrt. Diese Geschöpfe bedienen sich der Teleportation, der Reise mittels Gedankenkraft, und so erreichen sie jeden Ort in kürzester Zeit.
     
     „Sie ist kein Kind mehr“, bemerkte plötzlich einer der Beiden, während er über seinen nächsten Zug sinnierte. Seine Stimme hatte etwas Ehrerbietendes, etwas sanftes, Zwingendes, das durch die Akustik des leeren Kirchenschiffes widerhallte. 
    „Wir können die Wahrheit bald nicht länger vor ihr verbergen.“ 
    Der Andere nickte ebenso besonnen. „Wir können Sie aber auch nicht einfach gehen lassen. Es bleibt zu überlegen, wer ihr Erschaffer wird.“ 
    „Du hast sie mitgenommen, also ist sie dein“, sagte der Erste wieder. Sein Bruder blickte kurz auf. 
    „Wir haben beide ihre Eltern getötet.“ 
    „Also gut, wir werden ihr die Freiheit der Entscheidung überlassen. Das ist mehr, als man uns vor vierhundert Jahren zugestanden hat.“ 
    Erneut versanken die Spieler in Schweigen. Irgendwo in der Ferne schrie ein Käuzchen.
     
    Das Wesen, über das Sascha und Sergej sprachen, hieß Annika und war gerade 17 Jahre alt geworden. Aus einer Laune heraus hatten die Brüder sie als Kleinkind mitgenommen, nachdem sie den Wagen ihrer Eltern, die als Touristen im Land unterwegs waren, eines Nachts auf der verregneten Landstraße anhielten und das Paar unvermittelt töteten. Die knapp Vierjährige auf dem Rücksitz hatte bei ihrer Untat nicht einmal geschrien und Sascha nur neugierig mit großen, blauen Augen angestarrt, als seine blutverschmierten Lippen näher kamen, sie zart auf die Stirn küssten, und er sie aus dem Kindersitz heraushob. Vielleicht
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