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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte
Autoren: Robert Knapp
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gewinnen, wahr und wirksam seien. Besonders gern nahm man Zuflucht zur Traumdeutung, wo Fachkundige wie Artemidor bereitstanden, der nicht nur seine Dienste anbot, sondern die Deutungen auch in einem Buch festhielt.Männer wie Dorotheos von Sidon verfassten Bücher über Astrologie. Es gab auch Mittel zur Selbsthilfe wie Ouija-Bretter, die leicht verfügbar und zudem erschwinglich waren.
    In der Welt der gewöhnlichen Römer ging man den komplexen religiösen Fragen nur selten nach. Man war sich einig, dass es in der Welt übernatürliche Mächte gab. Da die religiösen Schaltstellen funktionierten, herrschte auch Einigkeit darüber, dass man zu diesen Mächten durch Opfer und Gebet, Anrufung und Magie Zugang finden konnte. Wenn eine Abmachung getroffen war und eingehalten wurde, war eine Gegenleistung zugunsten des Bittgängers zu erwarten. Es zählte, was man tat und was Ergebnisse zeitigte. Den Schlüssel zum göttlichen Beistand besaß, wer die gebotene Handlung auf die gebotene Art und Weise ausführte. Weder ein Glaube noch die Befolgung eines Moralkodex waren nötig, um sich der Gunst des Gottes zu versichern. Aus diesem Grund wurde in den Bars oder Straßen nicht über Dogmen diskutiert; der Beweis für die Macht einer Gottheit lag in ihrer Fähigkeit, Ergebnisse in Echtzeit zu liefern. Das zeigt sich beispielhaft im Neuen Testament, wo es bei den vielen Auseinandersetzungen um Magie nur darum geht, wessen Zauberkunst die wirksamste ist, und nie um die Philosophie oder Theologie des Praktizierenden.
    Zu größeren Zusammenstößen kam es nicht aus theologischem Anlass, sondern dann, wenn die Macht einer besonders verehrten Gottheit in Frage gestellt oder geschmäht wurde. Beleg dafür ist ein anderes Erlebnis des Paulus in Ephesos. Der Tempel der Artemis, die bei den Römern Diana hieß, war weithin bekannt und eine beliebte Votivstätte. Ein Silberschmied namens Demetrius und seine Kollegen machten mit Herstellung und Verkauf von silbernen Abbildungen des Tempels große Gewinne. Dieser Handwerker traf Maßnahmen, um sein Gewerbe zu schützen: Er fachte den Zorn seiner Kollegen an, indem er darauf verwies, dass Paulus viele Menschen überzeugte, sich vom Polytheismus abzuwenden. Die Gefahr, so sagte er, bestand nicht nur darin, dass Artemis selbst herabgewürdigt wurde; auch der Handel mit Votivtafeln würde austrocknen. Mit dem Ruf: »Groß ist die Diana der Epheser!« hetzte der wilde Haufen gegen Paulus. Die Menge spürte zwei Gefährten des Paulus auf, trieb sie zum Theater und wollte sie wegen Lästerung der Göttin verurteilen lassen (Apostelgeschichte 19,23 – 34). »Groß ist die Dianader Epheser!« war für sie kein theologisches Argument. Es war die einfache Bekräftigung nicht nur der Existenz, sondern auch der Macht ihrer Göttin. Jeder, der diese Wahrheit bezweifelte, war ein Feind. Die Vorstellung von einem Zusammenhang zwischen moralischem Verhalten und der Gunst der Götter hatte, vermittelt durch stoisches Denken, in der Elite zwar eine gewisse Geltung erlangt, aber es gibt kaum Hinweise darauf, dass dieses Denken bis in die Schichten drang, die weiterhin ihren grundsätzlich einleuchtenden und befriedigenden religiösen Überzeugungen anhingen. Diese beruhten auf der Wirksamkeit übernatürlicher Mächte, die engagiert werden konnten, um die praktischen Probleme des Alltags zu lösen, von Krankheiten über Liebesenttäuschung bis zur Rache an Feinden und Rivalen. Der Angriff auf die Existenz einer Gottheit schwächte ein wesentliches Hilfsmittel der gewöhnlichen Menschen zur Lösung ihrer Alltagsprobleme.
    Wenn die Anstrengungen, sich der Kraft des Übernatürlichen als Lebenshilfe zu versichern, einmal vergeblich blieben, waren die Menschen nicht sonderlich enttäuscht. Allgemein herrschte die Überzeugung, dass bei einem Scheitern der Anrufung oder eines Opfers der Fehler im Prozess des Rituals zu suchen war, nicht im grundsätzlichen Funktionieren der magisch-religiösen Welt – entweder war das falsche Zaubergebet gesprochen worden oder es war nachlässig gesprochen worden oder die Kleidung war falsch gewesen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Vertrauen in Religion und Magie in dem hier behandelten Zeitabschnitt, ja im Verlauf der gesamten Antike abgenommen hätte.
    Alltagssorgen
    Da die gewöhnlichen Römer ihr Leben an allgemeinen Moralvorstellungen und übernatürlichen Kräften orientierten, konnten persönliche Probleme ihr Leben jederzeit in Aufruhr bringen. Sie lebten in
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